Puerta Oscura - 01 - Totenreise
wieder passiert, wie furchtbar!«, sagte Lafayette tonlos.
Pascal konnte sich nicht mehr beherrschen: »Was ist wieder passiert?«
Maurice Pignant ergriff das Wort. »Es gibt etwas über die Dunkle Pforte, das man dir nicht erzählt hat«, sagte er aufgeregt. »Unsere Welten sind in einem empfindlichen Gleichgewicht. Es gibt zwischen ihnen ein heiliges Gesetz, das besagt, dass sich die Anzahl der Personen in jeder Wirklichkeit nicht verändern darf.«
»Ich kann nicht folgen«, gestand Pascal verwirrt. »Was hat das mit dem Tod des Lehrers zu tun?«
Pignant bat ihn mit einer Handbewegung um Geduld: »Dein Erscheinen hier hat dazu geführt, dass jemand sich von dieser Welt in die Welt der Lebenden begeben hat.«
»Was?« Jetzt hatte Pascal begriffen. »Es gibt einen Toten, der sich in meiner Welt herumtreibt? Im Ernst?«
»Ich fürchte, ja«, antwortete Lafayette.
Pascal wurde auf einmal klar, in welcher Beziehung das zum Tod des Lehrers stehen konnte.
»Ihr wollt doch nicht etwa sagen … dass dieser Tote der Mörder von Delaveau ist?«
»Pascal«, schloss Lafayette. »Du musst wissen, dass es in unserer Welt nur ein einziges Geschöpf mit gelben Augen gibt … und das ist abgrundtief böse.«
***
Michelle lag noch immer auf dem Boden. Erschöpft musste sie eine Pause machen, ohne die Fesseln an ihren Händen gelockert zu haben. Auch war es ihr nicht gelungen, die Bewegungsfähigkeit ihrer Beine zurückzugewinnen. Sie schwitzte, obwohl ihr die Kälte unter die Haut gekrochen war, was sie zugleich zittern ließ.
Zudem hatte sie vollkommen das Zeitgefühl verloren, auch das Gefühl für Tag und Nacht, da sich die Beleuchtung des Raums nicht änderte. Wie lange lag sie wohl schon hier? Das Blut in der Schale war noch nicht vollständig geronnen, doch das hieß nur, dass man es ihr erst vor Kurzem entnommen hatte.
Weitere Fragen ließen ihr keine Ruhe. Wann würde die Teufelszeremonie stattfinden? Und warum hatte man sie dafür ausgewählt?
Da zuckte sie zusammen. Ein Quietschen ertönte; es kam von der Falltür, die sich geöffnet hatte. Michelle erstarrte, als in dem Viereck eine Gestalt auftauchte: das Wesen, das sie entführt hatte. Sie sah sein Lächeln, die sadistische Gier darin, die weit hervorstehenden Eckzähne und die gelben Augen. Michelle konnte es nicht glauben: Sie war in den Klauen eines Vampirs! – Als er bemerkte, dass sie wach war, kam er herunter und berührte sie mit seiner eisigen Hand. Michelles Herz raste. Vergeblich versuchte sie sich zu befreien. Ein lauter, nicht enden wollender Schrei kam tief aus ihrer Kehle, der irgendwann in ein heftiges, stilles Schluchzen überging. Mit angstvollen Augen verfolgte sie, was das blutrünstige Ungeheuer weiter tat.
Der Vampir ging zu dem Drudenfuß, stellte ein paar Gegenstände darauf, die sie nicht erkennen konnte, und zündete die Kerzen an, die im Kreis um das Symbol standen. Ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, trug er die Schale mit dem Blut zu ihr und presste ihr den Hals zu, als wollte er sie erwürgen, während er die Schale darunterhielt. Schockiert hörte Michelle ein widerliches Plätschern und hätte vor Ekel und Angst beinahe das Bewusstsein verloren.
Nun kehrte er auf seine Position in der Mitte des Drudenfußes zurück, wo er die Schale mit dem frischen Blut abstellte. Dann kniete er sich nieder und murmelte Verse in einer altertümlichen Sprache, während er seltsame Verbeugungen und Gesten vollführte.
Michelle war kurz davor, durchzudrehen, als der Vampir zu ihr trat und sie auf den Drudenfuß zerrte. Entsetzt stellte sie fest, dass sie wie auf einem Altar als Opfer dargeboten werden sollte. Die Anwesenheit des Bösen in dieser satanischen geometrischen Form war so deutlich, dass sie diese um sich herum wie eine starke Energie wahrnahm.
Der Vampir zog sich ein wenig zurück, während sich die Atmosphäre im Raum zu verdichten schien. Michelle war unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Dunkelheit umgab sie auf einmal.
Kurz darauf befiel sie ein heftiger Schmerz, der auf jedem Zentimeter ihres nackten Körpers brannte. Eine unsichtbare Kraft schien sie zu packen und gnadenlos an ihren Gliedmaßen zu zerren. Michelle, die sich schreiend zur Wehr setzte gegen diese teuflische Kraft, spürte, wie sich ihr Körper dehnte. Dichter Nebel drang in den Raum, und in Tränen und Schweiß gebadet gab sie jeden Widerstand auf. Immer stärker wurde sie dieser unsichtbaren Kraft ausgesetzt, und sie meinte zu spüren, wie sich
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