Puerta Oscura - 01 - Totenreise
Daphne«, verabschiedete er sich. »Und viel Glück.«
Sie nickte.
»Danke. Aber nun schnell, man soll das Schicksal nicht herausfordern.«
Als sie allein war, trat Daphne vor ein Regal, das vollgestellt war mit alten Büchern: Magie, Hexerei, satanische Riten, Spiritismus … alles war da, Wissen von Generationen Erleuchteter und auch dunkler Kräfte. Mit ihren knochigen Fingern glitt sie über die Buchrücken, bis sie fand, was sie suchte. Sie trug den Folianten zum Tisch und blätterte darin.
»Diese Zeilen wurden im vierzehnten Jahrhundert von einem Wanderer verfasst«, murmelte sie vor sich hin, »der das Wissen um die Dunkle Pforte weitergeben wollte, bevor er starb. Es ist in lateinischer Sprache verfasst …«
Ehrfürchtig betrachtete sie die im Laufe der Jahrhunderte verblassten Zeilen.
»Hier steht es: Ne oportet te respicer e, viator ad transendum portan t. Umbra tua quae ad originem passuum tuis progredit non es t. Blicke nicht zurück, Wanderer, wenn du die Pforte überschreitest. Es ist nicht dein Schatten, der deiner Spur folgt.«
Der Wanderer und ich wissen, dass es ein Vampir ist, dachte Daphne. Wie bei einer Partie Schach auf Leben und Tod war ihre Sorge jetzt, den nächsten Zügen dieses Wesens zuvorzukommen. Sie trat ans Fenster. Die Dämmerung brach über Paris herein. Der Himmel verdüsterte sich, bizarre Wolken gingen darüber hin. Schnell wollte Daphne sich abwenden und sich zum Gehen fertig machen, da hielt sie auf einmal inne. Sie hatte eine Vision: Sie sah ein schönes Mädchen, das schrie, während es in einen unendlich tiefen Brunnen stürzte. Es fiel und fiel und entfernte sich von dem Licht, das oben herrschte, bis nur noch das Echo ihrer Stimme zu hören war.
Daphne erwachte aus der plötzlichen Trance und ein Name kam ihr leise über die Lippen: Michelle.
Sie wusste, dass es sich um das Mädchen handelte, über das Pascal bei seinem ersten Besuch eine Auskunft verlangt hatte. Etwas war ihr zugestoßen. Etwas sehr Schlimmes.
* **
Die Nacht war bereits hereingebrochen. Edouard ging lang sam den Hügel hinauf, der zu Sacré-Cœur führte. Er wohnte am Montmartr e, dem einstigen Zentrum der Pariser Boheme, der Künstler …. Touristen waren auf den erleuchteten Treppen und neben der Seilbahn zu sehen, wie fast immer hier.
In seinem Kopf wirbelte alles durcheinander, und die Vorstellung, diese Stadt mit einem Vampir zu teilen, ließ ihn seinen Schritt beschleunigen; immer wenn er in eine verlassene Straße kam, hier auf dem Montmartr e, bewegte er sich von Lichtkegel zu Lichtkegel der Laternen, als wären es Felder eines Brettspiels.
Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als plötzlich ein mächtiges Bild vor ihm am dunklen Himmel auftauchte: ein blutiger Mond.
Edouard blieb wie angewurzelt stehen. Es war ein Zeichen, das er als Medium wahrnehmen konnte, und er schloss die Augen und drehte sich einmal um die eigene Achse; wonach er suchte, war mit offenem Blick nicht zu erkennen.
Er nahm etwas Bedrohliches wahr. Doch die Gefahr hatte sich gut versteckt, er konnte sie nicht genau lokalisieren, obwohl sie, er spürte es, ziemlich nah war. Etwas belauerte ihn. Edouard schluckte schwer. Er war noch ungefähr dreihundert Meter von dem Haus entfernt, in dem er wohnte. Würde er es bis dorthin unbehelligt schaffen?
Sein Amulett war merklich kälter geworden, er spürte es deutlich zwischen T-Shirt und Pullover, wohin es gerutscht war.
Er rief sich Daphnes Rat ins Gedächtnis: einen hellen Ort aufsuchen. Edouard öffnete die Augen und studierte die Umgebung, um herauszufinden, wie er der Gefahr am besten aus dem Weg gehen konnte. Er fluchte stumm, als er feststellte, dass es nicht einmal eine Kneipe in der Nähe gab. So bog er in eine Gasse ein, die ihn auf eine der wenigen breiteren Straßen führen würde. Doch auf halbem Weg sah er hinter sich einen Mann in einem dunklen Mantel, der vor dem überdachten Eingang eines kleinen Lebensmittelmarktes stand und in die Schaufensterscheibe sah.
Edouard beschleunigte seinen Schritt. Doch die nächste Straßenecke schien, statt näher zu kommen, immer weiter von ihm wegzurücken. Er stoppte kurz und blickte zu dem Mann zurück. Das war kein Mensch. In diesem Körper war kein Leben.
Der Unbekannte wandte sich im gleichen Moment zu ihm um und zeigte ein strahlendes Lächeln, das zwei Fangzähne entblößte.
Das genügte Edouard, um die Beine in die Hand zu nehmen. Die Gestalt im Mantel folgte ihm mit eisigem Blick. Der Vampir hatte
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