Puerta Oscura - 01 - Totenreise
große Hilfe. Wir unterhalten uns bei Gelegenheit noch mal darüber.«
»Okay, wir sehen uns.«
Mathieu drehte sich nach ein paar Schritten um, um den beiden nachzuschauen. Was ist nur los mit denen?
Pascal und Dominique entfernten sich, jeder mit einem anderen Vorsatz. Der Augenblick der Wahrheit war gekommen.
18
AN JENEM NACHMITTAG strich Daphne voller Unruhe über ihre Kristallkugel. Sie zitterte leicht.
»Es ist tatsächlich wieder passiert«, stellte sie fest. »Nicht zu glauben.«
»Was ist passiert?«
Neben ihr saß Edouard, ihr Lehrling, den sie ausgewählt hatte, weil er ein junger Mann mit ungewöhnlichen Fähigkeiten war. Sie ließ ihn an vielem, was sie tat, teilhaben, doch diesmal war sie nicht bereit, ihr Geheimnis mit ihm zu teilen; es war zu riskant. Sie hatte Träume gehabt und die Botschaft des Erhängten hatte sich bewahrheitet. Sie war dem Wanderer sogar schon begegnet.
Nach hundert Jahren war es also wieder geschehen. Und dann war auch noch ein Vampir in die irdische Welt hinübergewechselt, und alles und jedes, das sich in Daphnes Umfeld befand, war damit akut in Gefahr. So auch Edouard.
»Erzählst du es mir nicht?«, fragte ihr Lehrling erneut.
»Nein. Das würde dich in große Gefahr bringen, Edouard.« Daphne warf einen prüfenden Blick auf die Wohnungstür. »Und es ist zu früh, du bist noch nicht so weit, es mit dem Bösen aufzunehmen.« Sie fixierte ihn. »Du musst gehen.«
»Gehen?«, fragte Edouard überrascht.
»Jetzt sofort.« Daphne nickte besorgt. »Du bist noch jung, die Zukunft gehört dir. Setz sie nicht aufs Spiel.« Sie blickte ihn lange an, als sähe sie in ihm ihre eigene Vergangenheit. »Vertrau meinem Urteilsvermögen, wie du es bisher gemacht hast.«
Sie erhob sich aus ihrem Sessel. Entschlossen ging sie zu einem Schrank und nahm aus einer Schublade ein silbernes Medaillon, das identisch mit dem war, das sie am Abend zuvor Pascal gegeben hatte.
»Ein Vampir geht in unseren Straßen um«, verriet sie lediglich. »Diese Wesen halten sich eigentlich im Reich der Finsternis auf. Doch gelangen sie unter die Lebenden, so brauchen sie frisches Blut. Deshalb weiß ich, dass er wieder töten wird, wenn er es nicht bereits getan hat … Für alle Fälle gebe ich dir das hier mit.« Sie reichte Edouard den Anhänger. »Das ist ein Talisman, der das Böse vertreibt. Hoffentlich wirst du ihn nicht brauchen, doch falls du dem Vampir begegnen solltest, wird er deine mentalen Fähigkeiten erkennen und könnte dich angreifen. Häng ihn dir um den Hals.«
»Danke, Daphne.«
»Noch etwas«, fügte sie hinzu. »Das Metall des Medaillons ist aus einer besonderen Legierung gemacht; es reagiert auf das Böse, indem es kalt wird. Wenn das passieren sollte, versteck dich an einem hellen Ort. Und komm nicht auf die Idee, dich auf einen Kampf mit dem Vampir einzulassen, er wird dich vernichten.«
Daphne war ruhig. Seit Jahrzehnten hatte sie sich auf eine solche Situation vorbereitet und sich in zahlreichen Disziplinen wie der Magie, dem Kartenlegen und der Wahrsagerei geübt. Schon immer hatte sie gewusst, dass es irgendwann passieren würde, auch, wo sich die Dunkle Pforte befand und wann genau sie sich wieder öffnen würde. Nun gut; der Moment war gekommen. Die Pforte hatte sich aufgetan, und ein Junge war im Jenseits gewesen und hatte einen unumkehrbaren Prozess in Gang gesetzt.
»Wir werden uns eine Weile nicht sehen«, teilte Daphne ihrem Schüler mit und sah ihn bedauernd an. »Aber du musst mir gehorchen.«
»Bitte, Daphne …«
»Wir haben keine Zeit«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Allein die Tatsache, dass du hier bist, ist gefährlich. Auch wenn du eine große Begabung besitzt – du bist noch nicht so weit. Früher oder später wird mich der Vampir finden, weil ich die Einzige in Paris bin, die ihm wirklich die Stirn bieten kann, und ich will nicht, dass dir etwas zustößt. Er ist sehr mächtig, und ich kann nicht für deine Sicherheit garantieren. Ich gebe dir Nachricht, wenn die Gefahr vorüber ist. Ich verspreche es, Edouard.«
Der junge Mann nickte und senkte den Kopf. Zwei Gefühle waren im Widerstreit in ihm: Er wollte seine Lehrmeisterin nicht allein lassen, er war auch neugierig auf das, was geschehen würde – doch hatte er auch Angst vor dem Unbekannten. Und er wusste, Daphne war nicht ohne Grund besorgt.
»Du musst fort, jetzt gleich«, drängte die Wahrsagerin, und so erhob er sich, nahm seine Sachen und wandte sich zur Tür.
»Auf Wiedersehen,
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