Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
Vom Netzwerk:
heutzutage nicht mehrheitlich europäisch geprägt, was die Gene angeht.«
    »In genau dieser Situation nehmen sich heute die Tiere wahr«, sagte er, »und ich glaube nicht, dass sie mit dieser Erkenntnis leichtfertig umgehen werden.«
    »Sie würden also sagen, dass Bären letztendlich unheimlicher sind als Delfine?«, fragte ich.
    »Wollen Sie das Allerunheimlichste hören?«, fragte er. »Am Allerunheimlichsten sind nicht die uns bekannten Tiere, sondern die, von denen wir nichts wissen. Haben Sie schon mal Statistiken über die geschätzte Zahl unbekannter Arten weltweit gesehen? Wir kennen noch nicht mal die Hälfte von all dem Gekreuch, das auf diesem Planeten lebt, John. Ich will nur sagen, was unten am Meeresgrund, ganz unten im Marianengraben . . . Das ist ein unentdeckter Planet, was die Arten angeht, die da unten leben. Wer weiß schon, wie groß die Tiere dort sind und über welche Fähigkeiten sie verfügen? Die Tiere selbst wissen es vielleicht. Sie wissen vielleicht, was da unten ist, und sie wissen vielleicht auch, wie man damit kommuniziert.«
    »Haben Sie sich schon mal den Bloop angehört?«, fragte er. »Sollten Sie mal recherchieren, im Internet.« Ihm war die Lust vergangen, mir alles erklären zu müssen. Er sah sich wegen der Rechnung um.
    Wieder zu Hause, habe ich den Bloop recherchiert. Vor sechs Jahren zeichnete eines der zur Ortung von sowjetischen U-Booten tief in den Ozean gehängten Überwachungsmikrofone der U .  S . Navy das Geräusch von etwas Lebendem auf. Der Stimmausdruck lässt keinen anderen Schluss zu, als dass es von einem Organismus ausgestoßen wurde. Allerdings müsste ein Wesen, das ein Geräusch dieser Größenordnung produziert, deutlich größer sein als jedes uns bekannte Tier. Die Spur, die es auf dem Seismografen hinterließ, hätte auch von einer kleineren unterseeischen Plattenverschiebung stammen können. Zwei im Abstand von dreitausend Meilen aufgestellte Mikrofone haben es aufgezeichnet, beide. Sie sollten es mal recherchieren.
     
    Fürchtet euch! Das ist es, was Marc Livengood mich gelehrt hat. Was er uns alle lehrt. Sollte ich meinem Auftrag irgendwie gerecht geworden sein, dann deswegen, weil ich mich mit einem Tropfen destillierten Realismus verabschiede: Sie wollen wissen, wovor Sie in den nächsten fünfzig Jahren Angst haben müssen? Vor allem, das kreucht und fleucht, meine Freunde. Vor allem, was sich bewegt. Denn es hasst uns. »Warum hassen sie uns?« Erinnern Sie sich? Wie idyllisch es bereits klingt, wenn man daran zurückdenkt, wie wir Menschen uns diese Frage vor gar nicht allzu langer Zeit gegenseitig gestellt haben! Und trotzdem sind die Antworten vielleicht dieselben; vielleicht können wir die Lehre aus der einen Situation auf die andere übertragen. Sie hassen uns, weil sie nicht wie wir sein können. Weil sie nicht unsere Daumen haben, unsere Hirne, unsere Musik, unser schönes, herabfließendes Haar. Weil sie das alles nie haben werden, nie haben werden, nie haben werden. Natürlich kann ich für den Moment noch sagen, wie leid mir das tut. Aber in dem Moment, diesem Moment, in dem ich mit meinem Feuermacher explosive Leuchtspurmunition verschieße, einfach nur Metall direkt in die Gesichter einer
Schar kreischender Riesenadler ballere, die sich meine Tochter holen wollen und meine Katzen, die mich niemals hintergehen würden, niemals (vielleicht haben sie mich aber auch verraten, sind durchgedreht und zerkratzen mir jetzt gerade den Rücken, während ich zu zielen versuche) – in diesem Moment, werde ich da denken: »Ach, es tut mir so leid, ich wäre froh, wenn wir euch nicht derart mitgespielt hätten?« Nie im Leben.
    Wir haben ihnen so viel gegeben. Und das ärgert mich. Was haben sie denn vor uns gehabt? Was haben sie denn gemacht? Wir haben ihnen Jobs gegeben, wir haben sie ins Fernsehen gebracht, wir haben mit ihnen ihre Verluste beweint. Und ihnen scheint nichts anderes einzufallen, als alles mit Zähnen und Klauen zurückzuzahlen. Ich glaube nicht, dass wir sie brauchen. Alles, was wir brauchen, können wir auch aus Mais herstellen.
    Es ist jetzt nicht so, dass ich gar keine Hoffnung mehr habe. Falls Sie und ich in einem halben Jahrhundert noch da sein sollten, hoffe ich, dass wir das Ende dieses Krieges feiern können. Ich hoffe, dass wir mit überbordender Begeisterung wieder und wieder, bis unsere Urenkel es nicht mehr hören können, die Geschichte vom Tag des Abkommens erzählen werden, als wir wussten, dass es vorbei

Weitere Kostenlose Bücher