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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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sein Fehler. Trotzdem bot er auch weiterhin Angriffsflächen. Von diesem Moment an äußerte sich Rafinesque nur noch bösartig über Horace Holley und die Transylvania.
    1825 begab er sich auf eine mehrmonatige Reise, um zu botanisieren und zu einem Treffen der Academy of Natural Sciences in Philadelphia zu fahren, wo er auch gesehen wurde und als »einigermaßen korpulent« in Erinnerung blieb. Als er nach Lexington zurückkehrte, musste er feststellen, dass Horace Holley – der wie die meisten vernünftigen Menschen dort angenommen hatte, er sei tot –, »um seinen Hass gegen Wissenschaften und Entdeckungen kundzutun . . ., meine Gemächer aufgebrochen, das eine Zimmer einem Studenten gegeben und all meine Habseligkeiten, Bücher und Sammlungen in dem anderen auf einen Haufen geworfen hatte«.
    Rafinesque machte sich aus dem Staub, wobei er »das College und Holley mit Flüchen beladen verließ«. In seinen Memoiren vermerkt er mit nicht gerade sympathischer Genugtuung, sein Fluch habe wohl gewirkt, denn »das College ging 1828 mit all seinem Inventar in Flammen auf«.
    1924 wurden Knochen, die man für die Rafinesques hielt, von einem anonymen Grab im Stadtzentrum von Philadelphia zurück zur Transylvania verbracht, wo man sie in einer würfelförmigen Betongruft in Old Morrison Hall, dem alten Speisesaal der Universität, beisetzte.
    Im Januar 1969 begann für meine Mutter das zweite Semester ihres ersten Jahres an der »Transy«. In diesem Monat brannte Old Morrison Hall bis auf die Grundmauern nieder. Nur der Betonquader und die Bronzetafel mit der Inschrift » EHRE , WEM EHRE SCHON LÄNGST GEBÜHRT HÄTTE « blieben unbeschädigt.
    1987 wies Charles Boewe, der führende Rafinesque-Experte unserer Zeit, zur Freude der meisten dem Plausiblen zugetanen Menschen nach, dass die Knochen in Rafinesques Grab einer zweiundsechzigjährigen Almosenempfängerin namens Mary Passamore gehörten, die 1847 an der Schwindsucht starb. Man hatte bei der Exhumierung in Philadelphia nicht tief genug gegraben.
     
    Die Jahre in Philadelphia wurden zu einem langen Niedergang, unterbrochen von Anfällen manischer, ergebnisloser Aktivität. Rafinesque versuchte, in Illinois eine utopische Gemeinschaft zu gründen. Er versuchte, Geld aufzutreiben für eine Schiffsreise um die Welt, bei der er wie später Darwin auf seiner Beagle -Expedition Proben und Präparate sammeln wollte. Natürlich entschlüsselte er in diesen Jahren noch das »Punkt-Strich-Zahlensystem« der Maya-Glyphen. Allerdings wurde sein Aufsatz zu diesem Thema derart umfassend ignoriert, dass ein französischer Abt, der von Rafinesque noch nicht einmal gehört hatte, vierzig Jahre später einen Gutteil seines Lebens damit zubrachte, die Zählweise erneut zu knacken. (Völlig korrekt hat Rafinesque auch vorausgesagt, dass die Maya-Schrift irgendwann entschlüsselt werden würde, wenn es gelänge, sie mit einer in Teilen Mexikos noch immer gesprochenen Sprache in Verbindung zu bringen. Einer seiner herzergreifenden Briefe, die er vom Totenbett aus schrieb, ging an John Lloyd Stephens, den Regierungsbeauftragten für Maya-Angelegenheiten, den er um ein Entgegenkommen anflehte: anzuerkennen, dass er schon Jahre vor Stephens selbst den Ansatz mit der lebendigen Sprache verfolgt habe. Stephens unternahm nichts dergleichen.)
    Seine Briefe werden trauriger und trauriger. Er bittet um Geld; in einem Brief bittet er gar um eine Kaution. In einer letzten, quälend vielversprechenden Äußerung zum Thema Evolution schreibt er an Torrey: »Mein letztes Buch zur Botanik
wird, sollte ich noch leben, genealogische Tabellen der allmählich sich vollziehenden Abweichungen beinhalten, die zu tatsächlich neuen Spezies geworden sind. Sollte ich zur Durchführung nicht mehr in der Lage sein, zollen Sie mir doch den Respekt und machen es selbst, nach dem Plan, wie ich ihn Ihnen umreiße.«
    Er schrieb seiner Tochter Emilia und bat sie, zu ihm zu kommen. Sie antwortete mit freundlichen, exaltierten Briefen, in denen im Grunde stand: »Wer sind Sie?«
    Er wandte sich an die Nation der Cherokee und wollte wissen, wie sein Name in ihrer Sprache ausgesprochen würde.
    Sie schrieben zurück. »La-hwi-ne-ski« lautete die Antwort.
    Hat er Mary Holley je vergessen? Ist sie diejenige, von der eines seiner späten Gedichte handelt?
     
    »Doch als es sah die holde Maid sich um den
    Kranz des Dichters winden, ein grausam' Schicksal schnell beschloss:
    Sie werde ihm entrissen.
    Seitdem er

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