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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ich spüre, wie er uns beobachtet.«
    »Jordan, übertreib's nicht«, sagte Clay, obwohl diese Vorstellung eine gewisse vertrackte innere Logik besaß. Wenn es tatsächlich er war, der ihnen den Traum schickte, in dem sie auf Podesten standen, dann beobachtete er sie vielleicht wirklich. Man gab keinen Brief auf, wenn es keinen Adressaten dafür gab.
    »Ich will nicht nach Kashwak«, sagte Alice. »Mir ist es egal, ob das eine No-Phone-Zone ist oder nicht. Ich möchte lieber nach ... Idaho.«
    »Ich muss nach Kent Pond, bevor ich nach Kashwak oder Idaho oder sonst wohin gehe«, sagte Clay. »In zwei Nachtmärschen kann ich dort sein. Mir wär's am liebsten, wenn ihr alle mitkommt, aber wenn ihr das nicht wollt - oder könnt -, habe ich volles Verständnis dafür.«
    »Der Mann braucht Gewissheit, also soll er sie bekommen«, sagte Tom. »Danach können wir uns überlegen, wie's weitergehen soll. Außer jemand hat einen anderen Vorschlag.«
    Niemand hatte einen.

10
    Auf kurzen Abschnitten, manchmal bis zu einer Viertelmeile weit, waren beide Spuren der Route 19 hindernisfrei, und das ermutigte die Sprinter. Das war der Ausdruck, den Jordan für die halb selbstmörderischen Dragster geprägt hatte, die mit hoher Geschwindigkeit vorbeirasten, meistens in der Straßenmitte und immer mit voll aufgeblendetem Licht.
    Clay und die anderen sahen die Scheinwerfer kommen, machten hastig die Fahrbahn frei und wichen sogar übers Bankett in den verunkrauteten Straßengraben aus, wenn vor ihnen Autowracks oder Staus zu sehen waren. Jordan gewöhnte sich an, solche Hindernisse als »Sprinter-Riffe« zu bezeichnen. Dann raste der Sprinter vorbei, wobei die Insassen häufig johlten (und fast sicher angetrunken waren). Wenn es nur einen kleinen Stau gab -ein kleines Sprinter-Riff -, versuchte der Fahrer fast immer, ihn in Schlängellinien zu umfahren. War die Straße ganz blockiert, konnten er trotzdem versuchen, darum herumzufahren, aber meistens ließen seine Begleiter und er einfach den Wagen stehen und gingen zu Fuß nach Osten weiter, bis sie wieder etwas fanden, mit dem es sich zu sprinten lohnte - also etwas Schnelles und vorübergehend Amüsantes. Clay stellte sich ihren Weg als eine Folge von holperigen Etappen vor . aber die meisten Sprinter waren ohnehin Schwachköpfe, bloß etwas, was einem in dieser nervenaufreibend gewordenen Welt zusätzlich auf den Geist ging. Das schien auch auf Gunner zuzutreffen.
    Er war der vierte Sprinter in ihrer ersten Nacht auf dem Highway 19 und entdeckte sie, als sie im Licht seiner aufgeblendeten Scheinwerfer am Straßenrand standen. Entdeckte Alice. Er beugte sich heraus, dass sein dunkles Haar nach hinten geweht wurde, und brüllte: »Lutsch mir den Schwanz, Teenybopper-Schlampe!«, während er mit einem schwarzen Cadillac Escalade vorbeibretterte. Seine Beifahrer johlten und winkten. Jemand rief: »Gib's ihr!« In Clays Ohren klang das wie absolute Ekstase, die mit einem Südbostoner Akzent ausgedrückt wurde.
    »Reizend«, war Alice' einziger Kommentar.
    »Manche Leute haben einfach keinen ...«, begann Tom, aber bevor er ihnen erzählen konnte, was manche Leute nicht hatten, kreischten im Dunkel nicht allzu weit vor ihnen Reifen, dann folgten ein lauter dumpfer Aufprall und das Klirren von zersplitterndem Glas.
    »Heiliger Scheiß«, sagte Clay und rannte los. Bevor er zwanzig Meter weit gekommen war, überholte Alice ihn leichtfüßig. »Mach langsam, die könnten gefährlich sein!«, rief er ihr nach.
    Alice hielt eine der Pistolen hoch, damit Clay sie sehen konnte, rannte weiter und hatte ihn bald völlig abgehängt.
    Dann schloss Tom, der bereits keuchend atmete, zu Clay auf. Jordan, der neben ihm herlief, hätte in einem Schaukelstuhl sitzen können.
    »Was . machen wir, wenn sie . schwer verletzt . sind?«, fragte Tom. »Einen . Krankenwagen . rufen?«
    »Weiß nicht«, sagte Clay, aber er dachte daran, wie Alice eine der Pistolen hochgehalten hatte. Er wusste es.

11
    Sie holten Alice nach der nächsten Kurve des Highways ein. Sie stand hinter dem Escalade. Der Geländewagen lag mit gefüllten Airbags auf der Seite. Der Unfallhergang ließ sich leicht rekonstruieren. Der Escalade hatte die unübersichtliche Kurve mit ungefähr hundert Sachen genommen und plötzlich einen verlassenen Milchtankwagen vor sich gehabt. Der Fahrer, Blödmann oder nicht, hatte gut reagiert, um einen tödlichen Auffahrunfall zu vermeiden. Er marschierte benommen im Kreis um den umgestürzten

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