Puls
auf die Fahrbahn zurückgelenkt wurde. Clay vermutete später, dass Gunner und Harold dieses Straßenstück zuvor abgefahren sein mussten, um alle Sprinter-Riffe sorgfältig in eine spezielle Karte einzutragen.
Sie standen beobachtend da. Clay war den heranrasenden Scheinwerfern am nächsten, Alice stand links neben ihm. Wiederum links neben ihr standen Tom und Jordan. Tom hatte Jordan lässig einen Arm um die Schultern gelegt.
»Mann, ist der schnell«, sagte Jordan. Er klang nicht besorgt; es war nur eine Bemerkung. Auch Clay war nicht beunruhigt. Er hatte keine Vorahnung von dem, was kommen würde. Er hatte Gun-ner und Harold ganz vergessen.
Nur ungefähr fünfzehn Meter westlich der Stelle, an der sie standen, war irgendein kleiner Sportwagen, vielleicht ein MG, halb auf der Fahrbahn, halb auf dem Bankett abgestellt. Harold, der das Sprinterfahrzeug fuhr, musste kurz das Steuer herumreißen, um ihm auszuweichen. Nur ein kleiner Schlenker, der aber vielleicht bewirkte, dass Gunner sein Ziel verfehlte. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht hatte er es nie auf Clay abgesehen gehabt. Vielleicht hatte er von Anfang an Alice treffen wollen.
Sie fuhren eine unscheinbare Chevrolet-Limousine. Gunner kniete auf dem Rücksitz, lehnte bis zur Hüfte aus dem Fenster und hielt in beiden Händen je einen gezackten halben Hohlblockstein. Er stieß einen unverständlichen Schrei aus, der direkt aus einer Sprechblase der Comics, die Clay als freier Mitarbeiter gezeichnet hatte, hätte stammen können - »Jahhhhhh!« -, und warf den Stein. Der Hohlblockstein beschrieb eine kurze tödliche Bahn durchs Dunkel und traf Alice seitlich am Kopf. Das Geräusch, mit dem er aufprallte, würde Clay ewig im Gedächtnis bleiben. Die Taschenlampe, die sie in der Hand hielt - durch sie zu einem perfekten Ziel wurde, obwohl jeder von ihnen eine hatte -, fiel sich überschlagend aus schlaff werdenden Fingern, warf ihren Lichtkegel über den Asphalt und strahlte dabei Kiesel und einen Splitter Schlusslichtglas an, der wie ein gefälschter Rubin glitzerte.
Clay sank neben ihr auf die Knie und rief sie bei Namen, konnte aber in dem plötzlichen Hämmern von Sir Speedy, der zu guter Letzt doch seine Feuerprobe erhielt, die eigene Stimme nicht hören. Aufblitzendes Mündungsfeuer erhellten die Nacht, und in diesem Lichtschein konnte Clay den breiten Blutstrom sehen, der über die linke Seite ihres Gesichts - o Gott, was für ein Gesicht! -lief.
Dann verstummte das Hämmern plötzlich. Tom schrie: »Mir hat's den Lauf hochgerissen, ich konnte ihn nicht runterhalten, ich glaube, ich hab das ganze beschissene Magazin in den Himmel gejagt«, und Jordan schrie: »Ist sie verletzt, hat er sie getroffen?«, und Clay dachte daran, wie sie angeboten hatte, die Platzwunde auf Gunners Stirn zu desinfizieren und zu verpflastern. Ein bisschen Brennen ist immer noch besser als eine Infektion, oder?, hatte sie gesagt, und er musste die Blutung zum Stehen bringen. Er musste sie sofort zum Stehen bringen. Er zog seine Jacke, dann den Pullover darunter aus. Er würde den Pullover benutzen, ihn wie einen gottverdammten Turban um ihren Kopf wickeln.
Der ziellos umherirrende Lichtstrahl von Toms Stablampe erfasste den Hohlblockstein und erstarrte dort. Der Stein war mit Blut und Haaren verklebt. Als Jordan das sah, begann er zu kreischen. Clay, der keuchend atmete und trotz der kalten Nachtluft wie verrückt schwitzte, wickelte den Pullover um Alice' Kopf. Das Kleidungsstück war sofort durchgeblutet. Seine Hände fühlten sich an, als würde er warme nasse Handschuhe tragen. Jetzt fand Toms Stablampe Alice, deren Kopf bis zur Nase hinunter mit einem Pullover umwickelt war, sodass sie wie eine Gefangene islamistischer Extremisten auf einem Internetfoto aussah, während ihre Wange (die Überreste ihrer Wange) und ihr Hals mit Blut getränkt waren, und Tom begann ebenfalls zu kreischen.
Helft mir, wollte Clay sagen. Hört auf damit, alle beide, und helft mir mit ihr. Aber seine Stimme versagte ihm den Dienst, und er konnte nicht mehr tun, als den durchgebluteten Pullover an die schwammige Seite ihres Kopfs zu drücken, wobei er sich daran erinnerte, dass sie mit Blut bespritzt gewesen war, als sie sich das erste Mal begegneten, aber damals hatte ihr nichts gefehlt, damals war sie unverletzt gewesen.
Ihre Hände zuckten ziellos, die Finger ließen Wölkchen aus Straßenstaub aufsteigen. Jemand sollte ihr ihren Turnschuh geben, dachte Clay, aber der Baby-Nike war in
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