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Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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anfangen konnte, seine Beine in Gang zu setzen, hatte Clay ihn in die Arme gerissen und bedeckte das schmutzige, teilnahmslose Gesicht und den schlaffen Mund mit Küssen.
    »Johnny«, sagte Clay. »Johnny, ich bin gekommen, um dich zu holen. Ich hab's getan. Ich bin gekommen, um dich zu holen. Ich bin gekommen, um dich zu holen.«
    Und irgendwann - vielleicht nur, weil der Mann, der es in den Armen hielt, begonnen hatte, es im Kreis herumzuschwingen -schlang das Kind die Arme um Clays Hals und klammerte sich fest. Es sagte auch irgendetwas. Clay weigerte sich zu glauben, dass das nur sinnlose Laute waren, so bedeutungslos wie ein Windstoß, der über die Öffnung einer leeren Colaflasche hinwegfuhr. Es war ein Wort. Es klang fast wie müä, als wolle der Junge sagen, er sei müde.
    Es hätte aber auch Düä sein können, wie der Kleine im Alter von sechzehn Monaten seinen Vater genannt hatte.
    Clay entschied sich dafür, bei dieser Auslegung zu bleiben. Zu glauben, das blasse, schmutzige, unterernährte Kind, das an seinem Hals hing, habe ihn Daddy genannt.

4
    Es war gerade genug, um sich daran klammern zu können, dachte er eine Woche später. Ein Laut, der ein Wort hätte sein können; ein Wort, das Daddy hätte sein können.
    Der Junge schlief jetzt auf einem Feldbett in einem Einbauklei-derschrank, weil Johnny dort zufrieden war und Clay es satt hatte, ihn unter dem großen Bett hervorzuholen. Die fast gebärmutterartige Enge des Schranks schien ihn zu beruhigen. Vielleicht gehörte das zu der Konversion, der er und andere sich hatten unterziehen müssen. Eine schöne Umwandlung! Die Phoner in Kashwak hatten seinen Sohn in einen verängstigten Schwachsinnigen verwandelt, der nun nicht einmal mehr Trost in einem Schwarm finden konnte.
    Draußen schneite es unter einem grauen Abendhimmel unaufhörlich. Ein eisiger Wind trieb den Schnee in sich windenden Schlangen die unbeleuchtete Main Street von Springvale entlang. Für Schnee schien es noch zu früh zu sein, aber das war es natürlich nicht, vor allem nicht so weit nördlich. Wenn er vor Thanksgi-ving einsetzte, schimpfte man immer darüber, und kam er vor Allerheiligen, schimpfte man doppelt so laut, bis jemand einen daran erinnerte, dass man nicht auf der Insel Capri, sondern in Maine lebe.
    Clay fragte sich, wo Tom, Jordan, Dan und Denise heute Nacht sein mochten. Er fragte sich, wie es Denise ergehen würde, wenn es an der Zeit war, ihr Baby auf die Welt zu bringen. Er war sich ziemlich sicher, dass sie gut zurechtkommen würde - Denise war zäh wie Schuhleder, das war sie. Er fragte sich, ob Tom und Jordan ebenso oft an ihn dachten, wie er an sie, und ob er ihnen ebenso fehlte, wie sie ihm - Jordans ernster Blick, Toms ironisches Lächeln. Dieses Lächeln hatte er bei weitem nicht oft genug gesehen; was sie gemeinsam durchgemacht hatten, war überwiegend nicht spaßig gewesen.
    Er fragte sich, ob die vergangene Woche mit seinem geistig und seelisch gebrochenen Sohn die einsamste seines Lebens gewesen war. Er glaubte, diese Frage bejahen zu müssen.
    Clay sah auf das Handy in seiner Linken hinunter. Es warf mehr Fragen auf als alles andere. Er fragte sich, ob er noch einmal telefonieren solle. Als er es eingeschaltet hatte, waren auf dem kleinen Display drei Balken erschienen, drei kräftige Balken, aber das Gerät würde sich irgendwann entladen, das wusste er. Und er konnte nicht damit rechnen, dass der Puls ewig anhalten würde. Die Akkus, die nötig waren, damit das Signal zu den Fernmeldesatelliten hinaufgesendet wurde (falls das passierte und wenn es noch passierte) konnten irgendwann leer sein. Oder der Puls konnte zu nicht mehr als einer einfachen Trägerwelle, einem idiotischen Summen oder dem schrillen Piepsen mutieren, wie man es hörte, wenn man versehentlich eine Faxnummer anwählte.
    Schnee. Schnee am 17. Oktober. War heute überhaupt der Siebzehnte? Er konnte nicht mehr genau sagen, welches Datum man hatte. Sicher wusste er jedoch, dass die Phoner dort draußen sterben würden, jede Nacht mehr. Hätte Clay ihn nicht gesucht und gefunden, wäre Johnny einer von ihnen gewesen.
    Die Frage war nur: Was hatte er gefunden?
    Was hatte er gerettet?
    Düä.
    Daddy?
    Vielleicht.
    Jedenfalls hatte der Junge seither nichts mehr gesagt, was auch nur entfernt an ein Wort erinnert hätte. Er war bereit gewesen, mit Clay mitzugehen ... aber er hatte auch immer wieder dazu geneigt, unvermittelt in eine ganz andere Richtung abzuschwenken. Wenn er das tat,

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