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Puls

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Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wiederzusehen, nicht abschütteln ( verblassende Rosen, wisperte sein Verstand), aber er weigerte sich, sie zu einer Vorahnung anwachsen zu lassen. Schließlich waren sie zweimal zusammengetroffen, und hieß es nicht, aller guten Dinge seien drei?
    Ein vorbeikommender Phoner rempelte Clay anscheinend unabsichtlich an. Er war ein Mann, dessen linke Gesichtshälfte mit angetrocknetem Blut bedeckt war - der erste verletzte Flüchtling von der Northern Counties Expo, den er sah. Er würde noch mehr sehen, wenn er nicht vor ihnen blieb, daher setzte er sich in Bewegung und folgte der Route 160 wieder nach Süden. Er hatte keinen bestimmten Grund für die Annahme, dass sein Junge nach Süden unterwegs war, aber er hoffte, irgendein Rest von Johnnys Verstand - von seinem alten Verstand - habe ihm gesagt, die Heimat liege in dieser Richtung. Und das war zumindest eine Richtung, die Clay selbst kannte.
    Etwa eine halbe Meile südlich der Zubringerstraße stieß er auf einen weiteren Phoner, diesmal eine Frau, die rasch und energisch quer zur Straße auf und ab ging wie ein Kapitän, der übers Achterdeck seiner Dreimastbark marschierte. Sie sah sich mit so durchdringend scharfem Blick nach Clay um, dass er unwillkürlich die Hände hob, um sich zu wehren, falls sie ihn anfiel.
    Was sie jedoch nicht tat. »Wer gefa-Da?«, sagte sie, und in seinem Kopf hörte Clay ganz deutlich: Wer ist gefallen? Daddy, wer ist gefallen?
    »Weiß ich nicht«, sagte er, indem er sich behutsam an ihr vorbeibewegte. »Ich hab's nicht gesehen.«
    »Wo je?«, fragte sie, nun noch energischer auf und ab gehend, und in seinem Kopf hörte er deutlich: Wo bin ich jetzt? Er versuchte gar nicht erst, ihre Frage zu beantworten, musste aber unwillkürlich an Pixie Dark denken, die Wer bist du? Wer bin ich? gefragt hatte.
    Clay ging schneller, jedoch nicht ganz schnell genug. Die Auf-und-ab-Gehende rief ihm nach: »Wer Pih' Da'?«
    Und in seinem Kopf hörte er diese Frage mit erschreckender Klarheit widerhallen: Wer ist Pixie Dark?

2
    Im ersten Haus, in das er einbrach, fand er keine Schusswaffe, dafür aber eine lange Stablampe, deren Lichtstrahl er auf jeden versprengten Phoner richtete, dem er begegnete, wobei er stets dieselbe Frage stellte, während er zugleich versuchte, sie mit Gedankenkraft wie ein Diapositiv auf eine Leinwand zu projizieren: Hast du einen Jungen gesehen? Er bekam nie eine Antwort darauf und hörte höchstens verklingende Gedankenfragmente in seinem Kopf.
    In der Einfahrt des zweiten Hauses stand ein fahrbereiter Dod-ge Ram, aber Clay wagte nicht, ihn zu nehmen. Wenn Johnny auf dieser Straße war, würde er zu Fuß gehen. Und wenn Clay fuhr, konnte er seinen Jungen selbst dann übersehen, wenn er das langsam tat. In der Speisekammer fand er eine Dose Frühstücksfleisch, die er mit dem am Boden angelöteten Schlüssel öffnete und halb leer aß, während er weitermarschierte. Als er satt war, wollte er den Rest gerade in den Straßengraben kippen, als er neben einem Briefkasten einen alten Phoner stehen sah, der ihn mit traurigem, hungrigem Blick beobachtete. Clay hielt ihm die Dose hin, und der Alte nahm sie. Langsam und deutlich sprechend, wobei er versuchte, in Gedanken Johnnys Bild zu projizieren, fragte Clay ihn: »Hast du einen Jungen gesehen?«
    Der alte Mann kaute Schinken. Schluckte. Überlegte anscheinend. Sagte: »Genna den wischy.«
    »Den wischy«, sagte Clay. »Klar. Danke.« Er ging weiter.
    Im dritten Haus, etwa eine weitere Meile südlich, fand er im Keller eine doppelläufige Schrotflinte mit drei Schachteln Munition. Und in der Küche fand er ein Handy, das auf der Theke in seinem Ladegerät stand. Das Ladegerät funktionierte - natürlich -nicht mehr, aber als er das Handy einschaltete, piepste es und war sofort sendebereit. Die Signalstärke wurde durch nur einen Balken angezeigt, aber das überraschte ihn nicht. Der Konversionspunkt der Phoner hatte am äußersten Rand des Empfangsbereichs gelegen.
    Mit der geladenen Schrotflinte in einer Hand, der Stablampe in der anderen und dem Handy in seiner Gürtelhalterung war er gerade zur Haustür unterwegs, als ihn auf einmal schlichte Erschöpfung überwältigte. Er torkelte zur Seite, als hätte ihn ein Gummihammer an der Schläfe getroffen. Er wollte unbedingt weiter, aber der letzte Rest Vernunft, den sein übermüdeter Verstand noch aufbringen konnte, sagte ihm, dass er jetzt schlafen müsse. Und vielleicht war jetzt zu schlafen sogar sinnvoll. Wenn Johnny

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