Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
»Das müssen sechs-bis siebenhundert sein. Und da sind die unter den Tribünen noch gar nicht mitgezählt.«
    »Sir? Mr. Ardai?« Das war Tom. »Wann haben Sie . Wie haben Sie erstmals .«
    »Wie ich die Tiefe ihres Trancezustands festgestellt habe? Ist es das, was Sie wissen möchten?«
    Tom nickte.
    »Ich war in der ersten Nacht hier draußen, um sie zu beobachten. Damals war der Schwarm natürlich viel kleiner. Hinausgetrieben hat mich schlichte, aber überwältigende Neugier. Jordan war nicht mit dabei. Die Umstellung auf eine nächtliche Existenz ist ihm leider ziemlich schwer gefallen, fürchte ich.«
    »Sie haben Ihr Leben riskiert«, warf Clay ein.
    »Ich konnte praktisch nicht anders«, erwiderte der Rektor. »Es war, als wäre ich hypnotisiert. Ich habe sofort erfasst, dass sie bewusstlos waren, obwohl ihre Augen offen standen, und ein paar einfache Experimente mit meinem Stock haben mir die Tiefe ihrer Trance bestätigt.«
    Clay erinnerte sich an das Hinken des Alten, dachte daran, ihn zu fragen, ob er sich überlegt habe, was mit ihm passiert wäre, wenn er sich getäuscht hätte und ihnen in die Hände gefallen wäre, hielt dann aber doch den Mund. Der Rektor hätte zweifellos nur wiederholt, was er bereits gesagt hatte: Kein Wissen ohne Risiko. Jordan hatte Recht - dies war ein Mann der ganz alten Schule. Clay hätte bestimmt nicht als Vierzehnjähriger wegen irgendeines Vergehens vor ihm auf der Matte stehen wollen.
    Ardai bedachte ihn inzwischen mit einem Kopfschütteln. »Sechs- bis siebenhundert ist eine sehr niedrige Schätzung, Clay. Der Fußballplatz hat Standardgröße. Etwas über fünftausend Quadratmeter.«
    »Wie viele also?«
    »Wie sie dicht an dicht gedrängt daliegen? Mindestens tausend, würde ich sagen.«
    »Und sie sind wirklich völlig weggetreten, ja? Das wissen Sie auch ganz sicher?«
    »Ganz sicher. Und was zurückkehrt - jeden Tag ein bisschen mehr, das sagt Jordan auch, und er ist ein scharfer Beobachter, das können Sie mir glauben -, ist nicht, was sie einst waren. Mit anderen Worten: nichts Menschliches.«
    »Können wir jetzt zur Lodge zurückgehen?«, fragte Tom. Es klang, als wäre ihm schlecht.
    »Natürlich«, sagte der Rektor.
    »Augenblick noch«, sagte Clay. Er kniete sich neben den jungen Mann mit dem NASCAR-T-Shirt. Eigentlich wollte er das nicht - er stellte sich unwillkürlich vor, wie die Hand, die nach der roten Mütze gekrallt hatte, jetzt gleich nach ihm krallte -, aber er zwang sich dazu. Hier unten in Bodennähe war der Gestank schlimmer. Clay hatte geglaubt, er würde sich allmählich daran gewöhnen, aber das war ein Irrtum gewesen.
    »Clay, was ...«, begann Tom.
    »Pst!« Clay brachte sein Ohr dichter an den leicht geöffneten Mund des jungen Mannes heran. Er zögerte, dann beugte er sich noch tiefer, bis er den schwachen Speichelglanz auf der Unterlippe des anderen sehen konnte. Anfangs glaubte er, dass alles vielleicht nur Einbildung war, aber weitere zwei Fingerbreit näher - er war jetzt fast nah genug, um die nicht wachende, nicht schlafende Kreatur mit dem Bild des Rennfahrers Dale Jarrett auf der Brust küssen zu können - beseitigten alle Zweifel.
    Nicht laut , hatte Jordan gesagt. Eigentlich nur ein Flüstern ... aber man kann es hören.
    Clay hörte es, hörte die Stimme, die der aus den drahtlos vernetzten Gettoblastern durch irgendeinen Trick eine halbe Silbe vorauseilte: Dean Martin, der »Everybody Loves Somebody Some-time« sang.
    Er stand auf und schrie fast bei dem pistolenartig lauten Knall, den die eigenen Knie machten. Tom, der seine Laterne hochhielt, glotzte ihn starr an. »Was? Was? Willst du etwa behaupten, der Junge hat .«
    Clay nickte. »Komm, wir gehen ins Haus.«
    Auf halber Höhe der Rampe packte Clay den Rektor grob an der Schulter. Ardai drehte sich nach ihm um, aber diese Art der Behandlung schien ihn nicht groß zu stören.
    »Sie haben Recht, Sir. Wir müssen sie beseitigen. Möglichst viele und möglichst schnell. Dies ist vielleicht unsere einzige Chance. Oder glauben Sie, dass ich mich irre?«
    »Nein«, antwortete der Rektor. »Leider nicht. Wie gesagt, wir befinden uns im Krieg - das ist zumindest meine Überzeugung -, und im Krieg tötet man seine Feinde. Wollen wir nicht wieder hineingehen und die Sache durchsprechen? Wir könnten eine heiße Schokolade trinken. Als Barbar, der ich bin, mag ich meine mit einem winzigen Schuss Bourbon.«
    Oben an der Rampe nahm Clay sich die Zeit für einen letzten Blick zurück.

Weitere Kostenlose Bücher