Puppenbraut
Bestätigung?“ ‘Die persönliche Komponente in diesem Fall verengt ganz sicher ihren rationalen Blick’, dachte Doreen, sagte aber stattdessen: „Was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass der Täter in unmittelbarer Nähe zu sein scheint, und vor allem, dass Zoey noch lebt! Sonst bräuchte er keine Bestätigung!“
„Ivy hat mir versprochen, nach der Schule auf einen schönen Spielplatz zu gehen!“ Die aufgeregte Stimme ihrer gemeinsamen Tochter ließ sich in der ganzen Küche vernehmen und katapultierte beide Frauen in das „Hier und Jetzt“. Sie versuchten das eben Gesagte frei von ihren Ängsten zu begreifen. Es gelang jedoch nicht. Zu groß war die Furcht vor der harten Realität, die auf kleine Mädchen wie Cassy auf New Yorker Kinderspielplätzen lauerte. Wenn „Dolly-Lover“ bei Zoey tatsächlich zugeschlagen hatte, dann gab es nur noch zwei Tage, bis die Cops eine weitere Kinderleiche finden würden, die auf das Konto dieser Bestie ging. Wie schnell würde dann die Akte der nächsten um ihr Mädchen trauernden Mutter auf Raffaellas Schreibtisch landen? Für sie stand fest, dass es diesen Ausflug zum Spielplatz nicht geben würde. Vorerst.
*****
Doreen Bertani nahm sich vor, ihre ersten Schritte am Nachmittag in Richtung des Spielplatzes zu setzen, wo die Entführung stattfand. Sie beauftragte Raffaella, die Mail und die ihnen bekannten Informationen weiterzuleiten. Sicherlich würde sie für ein paar Tage auf ihren eigenen Laptop verzichten müssen – bis die Polizei alles detailliert überprüft hatte.
Diesmal war der Spielplatz etwas leerer als sonst. Selbst die paar Eltern, die mit ihren Kleinkindern am Rand der Sandkiste saßen, lasen keine Zeitung, wie beim letzten Mal, sondern starrten ihre Schützlinge regelrecht an. Die Nachricht über den kidnappenden „Dolly-Lover“ zog offenbar weite Kreise. Die Absperrbänder verstärkten die lauernde Angst. In der Luft schwang eine Anspannung wie in einem Ballon, der kurz vorm Platzen stand.
Doreen sah sich ganz genau um. Diesmal wurde sie aufmerksam von den Eltern beobachtet. Zu unbekannt war die Frau, deren Blick ihre spielenden Kinder streifte. Zu interessiert wirkte sie.
‘Dabei lauert der Mörder unter denen von euch, die ihr als Freund oder einfach nur als ein bekanntes Gesicht kennt!’, dachte sie traurig. Genau das war für all die Psychopathen dieser Welt gleich. Keinem von ihnen stand auf der Stirn geschrieben, dass er ein schlechter Mensch war. So erschreckend diese Vorstellung von einem kranken, aber freundlichen Mitmenschen auch war, nur durch die fehlende Auffassungsgabe seiner Umgebung konnten Opfer überhaupt entstehen.
Doreens geschärfter Journalisten-Wahrnehmung entging nicht, dass es durchaus ältere Kinder gab, die auch ohne Eltern auf dem Spielplatz tobten. Sie waren vielleicht nicht in Cassys, aber ganz sicher in Zoeys Alter. In diesem Augenblick musste sie an ihre Tochter denken. Es war so wunderbar zu wissen, dass es die junge Studentin, Ivy, gab, die ihr geliebtes Kind niemals aus den Augen lassen würde. Jetzt, nachdem die Babysitterin über Zoeys Verschwinden aufgeklärt worden war, erst recht nicht mehr!
Es gab jedoch auch Eltern, die so beschäftigt damit waren, ihren Kindern eine sorglose Zukunft vorzubereiten, dass sie die gegenwärtigen Gefahren nicht wahrnahmen. Oder andere, die mit der Zeit vergaßen, weiterhin Verantwortung für ihre Schützlinge zu übernehmen. Auf dem Weg zur Selbstständigkeit ihrer ehemaligen Babys verdrängten sie, dass ihre Kinder eigentlich Wesen mit eigener Ideologie waren. Jedes für sich erschuf seine subjektive Welt voller Magie, die mit der der Erwachsenen nicht immer kompatibel war. Diese Kinder, die mit einem Schlüssel um den Hals im Boerum Park herumliefen, waren eben nicht die „zu kurz geratenen Erwachsenen“, sondern Geschöpfe, deren Fantasie nicht annähernd ausreichend war, die menschliche Grausamkeit zu erfassen.
Gleichermaßen zur steigenden Anzahl der Kinder New Yorks wuchs auch die Population verschiedenartiger Hunde und ihrer Besitzer. Die Hundeführung im Park zu gestatten, sollte eine geschickte Lösung der Stadt sein, den Spielplatz zu einem öffentlichen Standort zu machen. Vielleicht sollte es lediglich den die Vierbeiner besitzenden Familien eine neue Perspektive bieten und somit den Boerum Park für sie attraktiver machen? Oder, was schauriger war, mehr Sicherheit bedeuten?
Noch in ihre Gedanken versunken, verspürte Doreen einen Schlag auf
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