Puppenbraut
Fotograf gut hätte tarnen können. Jeder hätte sie an dieser Stelle unbemerkt ablichten und sich dann zu fast allen Orten bewegen können, wo sich die Spuren von Zoey befanden. Deshalb war es für den Täter ein Leichtes, potenzielle Zeugen auszuschalten.
„Waren Sie an diesem Tag auch hier, als das kleine Mädchen verschwand?“ Doreen entschied sich für eine direkte Taktik. Sie schielte kurz zur Seite. Auf der Bank lag ein Rucksack. Genau die richtige Größe, um Leckerlis für den Hund, ein Handy, eine Brieftasche, einen Schlüssel oder eine mittelgroße Fotokamera zu verstecken.
„Nun, vermutlich ja.“ Die Stimme zitterte für einen winzigen Augenblick. Dann fasste sich der Mann wieder. „Habe auch den Cops erzählt, dass ich sie auf dem Parkplatz sah. Die Kleine ist mir mit ihrem blauen Kleidchen gleich aufgefallen. Wissen Sie was? Ich mag Kinder!“ Er grinste widerlich.
„Ist Ihnen etwas Merkwürdiges an diesem Tag aufgefallen?“ Doreen trippelte leicht auf der Stelle, als wollte sie die Unbehaglichkeit abschütteln, die sie in diesem Moment überkam. Ihr Temperament meldete sich meist recht schnell. Wenn sie nicht entsprechend reagieren konnte, musste sie eine Übersprungreaktion ausführen. Das Wiegen auf der Stelle war eine Form davon. Außer dem grollenden Warngeräusch von Daisy passierte jedoch gar nichts. Oliver Bradley schien es nicht bemerkt zu haben.
„Nö. War die meiste Zeit in das Gespräch mit dem Mann im Kiosk vertieft.“
„Sitzen Sie immer auf dieser Bank?“ Doreen konnte sich keinen Reim auf das bisher Gesagte machen.
„Ach, Quatsch! Wir treffen uns aber ganz oft hier. Im Kiosk ist meist nichts zu tun. Die Kinder rennen alle zu dem Bücherladen, Jackson & Barnes. Da gibt es die besten Comic-Bücher. Wir teilen uns einfach manchmal die gemeinsame Zeit!“
‘Ja, und eine Vorliebe für kleine Mädchen sicherlich auch’, beendete sie im Geiste. „Wo ist diese Buchhandlung eigentlich? Ich habe sie noch nie gesehen!“, fragte Doreen stattdessen.
„Ach, die finden Sie ganz leicht. Dexter müsste noch ein Paar Visitenkarten mit der Adresse im Laden haben. Wenn Sie es nicht finden, dann fragen Sie einfach! Er hilft Ihnen bestimmt! Mit einem der Angestellten dort ist er gut befreundet. Den habe ich schon öfter gesehen... ähm...Wie war noch sein Name? Ähm... Dwane...Irgendwie...“
„Dwane Harper vielleicht?“ Der Name des Verdächtigen aus den Nachrichten fiel ihr sofort ein.
„Ja, genau. Woher...“
„Nun….“, Doreen unterbrach ihn prompt und schaute ostentativ auf die Gelenkuhr, „…langsam wird es Zeit für mich. Es war nett, mit Ihnen zu plaudern. Auf Wiedersehen!“ Ihr plötzliches Aufbrechen versetzte das Tier erneut in den Verteidigungsmodus. Diesmal machte sie sich nicht mehr die Mühe, diesem Mann ihre Hand zu geben. Sie fühlte sich dafür dem kläffenden Giftzwerg zu Dank verpflichtet. Er hatte ihr eine unausgesprochene Ausrede geliefert.
Sein verspätetes „Auf Wiedersehen!“ wurde von Drohgebärden seines Hundes unterdrückt. Auf einen Abschiedsgruß von dieser ihr unangenehmen Person legte Doreen keinen Wert.
KAPITEL 11
Zoey machte die Augen zu. Sie würde ihn also in zwei Tagen heiraten, sagte er. Sie freute sich! Endlich würde sie ihre Eltern sehen! Beide zusammen. Ihr ewiger Herzenswunsch! Wie zu den Zeiten, zu denen sie alle so viel gemeinsam lachten! Bevor ihre Mutter anfing, immer öfter ihre verweinten Augen mit Schminke zu kaschieren und “Es ist wirklich nichts, Schatz!“ auf Zoeys zahlreiche Fragen zu antworten.
Lange Zeit glaubte sie ihr, doch eines Tages, als sie von der Schule nach Hause kam, waren Daddys Sachen gepackt. Er war einfach weg! Zunächst sollte es nur Urlaub sein, hatte es Mommy ihr erklärt. Doch während die Tage vergingen, blieb Larry Andrews seinem Zuhause weiterhin fern. Irgendwann verschwanden auch sein Duschgel und seine Zahnbürste. Dann begann er, Zoey von der Schule abzuholen, während ihre Mutter sich mit Freunden traf.
Amy Andrews achtete peinlich genau darauf, dass ihre Tochter wenig von ihrem neuen Lebenswandel mitbekam. Sie übersah dabei, dass das Kind so aufmerksam war, dass es die unterschiedlichen Männerutensilien im Badezimmer, die wöchentlich wechselten, voneinander unterscheiden konnte. Zoeys Wunsch, ihre Eltern Hand in Hand zu sehen, flog davon wie ein wunderschöner Schmetterling in der wärmenden Mai-Sonne.
Bis ihr Peiniger auf sie zukam und ihre Hoffnung erneut
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