Puppenfluch
werfen ihm vor, junge Frauen zur Prostitution ins Land geschmuggelt zu haben. Aus Kaliningrad.«
Aron spuckte die Worte fast aus. Es war deutlich zu hören, wie lächerlich er diese Anschuldigungen fand. Siri streckte ihre Hand über den kleinen Couchtisch nach ihm aus, aber Aron nahm sie nicht. Er hob nur den Kopf und musterte sie mit einem fremden Ausdruck in den Augen. Nichts daran erinnerte an seine Wärme, an sein Lachen. Nur tiefer Ernst und Traurigkeit lagen darin. In diesem Moment gab es nichts, das er von ihr wollte – nichts, außer der Wahrheit.
»Gestern Abend hast du gesagt, dass du etwas weißt«, sagte er dann und langsam begann Siri zu erzählen. Sie berichtete, wie alles angefangen hatte, wie sie eigentlich nur Dateien herunterladen wollte und dabei zufällig Zeugin von Yulias brutaler Entführung geworden war. Sie ließ nichts aus. Schilderte, wie sie eins und eins zusammengezählt hatte, wie sich alles entwickelt und schließlich darauf hingedeutet hatte, dass Martin der Schuldige war.
Aron sagte kein Wort, während Siri redete. Als sie fertig war, fühlte sie sich vollkommen ausgelaugt und heiser.
»Ist das der Grund, warum du mit mir zusammen sein wolltest?«, fragte Aron. »Um meinen Vater zu überführen?«
Siris wollte »Nein, natürlich nicht! Ich liebe dich!« schreien. Aber sie stockte. Jetzt zählte nur die Wahrheit.
»Vielleicht war das ganz zu Anfang so. Aber dann nicht mehr«, sagte sie leise.
In seinen Augen standen plötzlich Tränen.
»Kapierst du überhaupt, was du mir angetan hast?«, fragte er zornig. »Wie sehr es mich verletzt, das alles zu hören? Zu erfahren, dass du mich die ganze Zeit hintergangen hast? Welche Geheimnisse du vor mir hattest?«
»Aron«, sagte Siri verzweifelt. »Bitte ... ich weiß ... es tut mir so leid. Aber als ich mich in dich verliebt habe und dir alles erzählen wollte, da durfte ich nicht mehr. Die Polizei hat es mir verboten. Stell dir vor, du hättest Martin etwas von dem Verdacht erzählt!«
Aron sah sie voller Verachtung an.
»Verdammt, Siri, du glaubst doch nicht immer noch, dass mein Vater so etwas getan hat?«
Siri starrte ihn sprachlos an.
»Wer denn sonst?«
»Was weiß ich«, sagte Aron. »Mein Vater jedenfalls nicht. Ich kenne ihn. Er kann manchmal ein bisschen grob sein, das weiß ich auch. Aber dass er solche Sachen getan haben soll ... junge Mädchen verschleppen – das ist unmöglich! Würdest du ihn etwas besser kennen, dann wüsstest du das!«
Siri schüttelte langsam den Kopf: »Ich bin mir sicher, dass er es war. Ich bin mir sicher, auch wenn du etwas anderes sagst, Aron. Alles deutet auf ihn hin, alles, ich habe dir doch erzählt, dass ...«
Jetzt weinte Aron, ohne es zu verbergen. Tränen liefen über sein weiches, fein geschnittenes Gesicht. Mit einem zornigen Ruck wischte er sie mit dem Handrücken fort.
»Es ist aus zwischen uns, Siri«, sagte er. »Du hast mich im Stich gelassen, mich verraten und hintergangen. Und ich habe dich geliebt! Ich habe dich geliebt !«
Er stand auf und ging wütend zur Tür
»Und als wäre das noch nicht genug«, fuhr er fort, »denkst du, mein Vater wäre ein Monster. Du hältst ihn für einen Menschenhändler, Zuhälter und Mörder. Du vertraust mir nicht, wenn ich dir sage, dass das ein Irrtum ist! Mit so einem Mädchen kann ich nicht zusammen sein.«
»Aron, warte!«, rief Siri und versuchte aufzustehen.
»Nein. Ich gehe jetzt. Frohe Weihnachten«, sagte Aron bitter.
Er war weg. Siri starrte auf ihre Zimmertür, dann erhob sie sich stöhnend und humpelte zur Küche. Mama stand am Fenster. Siri stellte sich neben sie. Gemeinsam sahen sie zu, wie Aron mit gebeugten Schultern und hängendem Kopf den Gartenweg hinunterging. Er trat das Tor auf und verschwand auf die Straße.
»Er hat geweint«, sagte Mama sanft.
Siri nickte. Sie weinte auch. Und als Mama sie in den Arm nahm, brachen alle Dämme.
Sie saß auf dem Schoß ihrer Mutter, obwohl sie fast sechzehn Jahre alt und mittlerweile größer war als sie, und heulte vor Schmerz.
Es war, als würde ihr Herz zerreißen.
Aron sprang auf sein Fahrrad und raste die Straße hinunter. Er war so wütend und traurig, dass es ihm die Luft abschnürte. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so aufgewühlt und enttäuscht gewesen zu sein. Wie eine fauchende Welle schlugen Zorn und Kummer über ihm zusammen. Zu Hause angekommen schleuderte er sein Rad auf den Kiesweg und riss die Haustür auf.
Er zerrte die Leine vom Haken und rief
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