Puppenfluch
doch schon gesagt, dass du nicht ...«
»Das meine ich nicht! Ich meine, sie haben vielleicht Angst bekommen und versucht, ihre Spurenzu verwischen, weil ich herumgeschnüffelt habe. Deshalb ist das dritte Mädchen nicht gekommen, deshalb haben sie Irina bedroht und Yulia ermordet. Und außerdem habe ich vergessen, von Abisko und den Hamburgern zu erzählen. Also war es meine Schuld ...«
Kommissarin Björk schwieg. Sie schien keine andere Antwort darauf zu haben und das überzeugte Siri davon, dass ihre Vermutung richtig war. Sie hatte alles richtig machen wollen und dabei war alles schiefgegangen. Alles!
Nervös trommelte sie auf die Tischplatte. Der Tee stand noch immer unberührt vor ihr. Sie fühlte sich so müde. Vollkommen fertig. Alles drehte sich.
»Siri ...«
Es klopfte energisch an die Tür und eine junge dunkelhaarige Frau streckte ihren Kopf ins Zimmer.
»Kannst du mal kurz kommen, Lena?«, bat sie die Kommissarin.
Kommissarin Björk stand auf und legte ihren Block auf den Tisch.
»Wartet hier, ich bin gleich zurück«, sagte sie zu Siri und ihrer Mutter.
Siri folgte Kommissarin Björk mit dem Blick, als sie aus dem Zimmer ging und die Tür ein Stück offen stehen ließ. Auf dem Gang liefen Leute auf und ab. Polizisten in Uniform und andere, die offenbar in Zivil unterwegs waren.
»Hier entlang«, hörte sie eine feste Stimme, mit der nicht zu spaßen war.
»Also, das muss ein Missverständnis sein! Ich verstehe nicht, was das Ganze hier soll! Werden Sie neuerdings dafür bezahlt, anständige Leute zu schikanieren, die nur ihre Arbeit machen wollen? Wenn es um die Buchhaltung geht, dürfen Sie sich gerne mit meiner Wirtschaftsprüferin unterhalten. Die hat mir versichert, dass alles vollkommen legal ist. Lassen Sie meinen Arm los!«
Siri setzte sich wie vom Donner gerührt auf dem Sofa auf. Sie kannte diese Stimme. Sie starrte hinaus auf den Flur und gerade da kam Martin Wiker. Er war umgeben von mehreren kräftigen Polizisten, die sich dicht um ihn drängten, aber doch nicht so dicht, dass er nicht einen Blick durch die offene Tür hätte werfen können.
»Siri!«
Er klang verwundert und es gelang ihm, stehen zu bleiben.
»Was machst du hier? Ist Aron auch da? Hast du eine Ahnung, was hier los ist?«
Siri sah seine fragenden Augen, spürte seine Ratlosigkeit. Sie warf ihrer Mutter einen verzweifelten Blick zu, die Martin Wiker genauso fassungslos anstarrte wie sie selbst.
»So, weiter geht’s«, sagte ein Wachmann. »Kommen Sie, Wiker, wir haben viel zu besprechen. Oderbesser gesagt, Sie haben uns eine Menge zu erzählen.«
»Siri!«
Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Moment, dann war Martin Wiker verschwunden.
Er wurde vorwärtsgeschoben und war weg, ehe sie noch etwas hatte erwidern können. Nicht, dass sie ihm mehr zu sagen gehabt hätte, als dass er das erbärmlichste Geschöpf war, das man sich vorstellen konnte. Er hatte nicht nur Yulia getötet, er hatte auch alles zerstört, was zwischen ihr und Aron gewesen war.
Es war spät, als Kommissarin Björk endlich damit fertig war, Siri zu vernehmen, und sie nach Hause entließ.
Siri stieg aus dem Auto und stolperte mit zitternden Beinen zum Gartenzaun. Sie war vollkommen am Ende und das war Mama auch, das war nicht zu übersehen.
»Warum hast du dich nicht an das gehalten, was Kommissarin Björk dir gesagt hat?«, fragte sie zornig und knallte die Autotür zu.
Sie schleuderte sich die Handtasche über die Schulter, die genauso schnell wieder hinunterrutschte.
»Hörst du schlecht? Hat sie dir gesagt, du sollst losziehen und Leichen suchen?«
»Nein.«
»Und was tust du? Marschierst schnurstracks zu einem alten Lager. Ist dir überhaupt klar, was dir hätte passieren können? Glaubst du, diese Typen machen nur Spaß? So dumm kannst nicht mal du sein, Siri!«
Ihre Mutter schimpfte und schrie, aber Siri wusste, dass es in Wirklichkeit nicht nur darum ging, dass sie sauer war. Sie hatte Angst. Überhaupt schienen alle Angst zu haben. Nur weil dieses Pack tun und lassen durfte, was es wollte.
Mama meckerte weiter, aber Siri hörte schon gar nicht mehr zu.
»Sie haben ihn doch festgenommen«, murmelte sie schließlich und zog die Schultern in ihrer weiten Jacke hoch.
Es schneite sacht und die Luft roch nach Winter. Große Flocken tanzten im Licht der Straßenlaternen, es war romantisch und schön, ein Abend, den sie mit Aron hätte draußen verbringen sollen, um alberne kleine Herzchen in die dünne Schneedecke zu
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