Puppengrab
»Nun, dann kann ich mir ebenso gut die letzten Puppen auch ansehen. Und herausfinden, was er mit uns vorhat.«
Die Trauer erwischte Chevy überraschend. Er hatte nicht damit gerechnet. In seinen Träumen war die Endphase von Beths Folter von seiner Vorfreude, Erfüllung und seinem Triumph gekennzeichnet. Und nun wollte er nicht, dass es zu Ende ging.
Doch spürte er, dass etwas ihn drängte, weiterzumachen. Jenny, die so gebrechlich und verletzt war. Der Hund, der noch immer draußen im Schuppen angebunden war. Neil Sheridan, der nicht von Beths Seite wich, sie vermutlich sogar vögelte. Und als sei das noch nicht genug, hatte gerade das Telefon geklingelt:
»Mabel, ich wollte dir nur sagen, dass wir uns morgen im Neo’s zum Brunch treffen, also bring bitte die Bücher mit. Bis dann«,
hatte die ältliche Stimme auf den Anrufbeantworter gesprochen.
Was bedeutete, dass Mabel Skinner morgen Mittag vermisst werden würde. Verdammt. Dabei hatte sie gar nicht wie jemand ausgesehen, der zu einem Lesezirkel gehörte.
Was für ein Pech. Ihm gefiel Mabels Haus, bis auf die hässlichen Polstermöbel. Und er mochte auch ihren Wagen, den luxuriösen Lexus. Er fragte sich, wofür eine alte Dame einen Lexus brauchte.
Nun, sie brauchte ihn eigentlich nicht mehr, denn sie lag in der Gefriertruhe, eingequetscht zwischen tiefgekühlten Kartoffelpuffern und Putenhackfleisch. Es hatte ihm kein Vergnügen bereitet, Mabel Skinner umzubringen, und er hatte auch nicht an Jenny, Beth oder Mutter denken müssen. Ihr Tod war eine Notwendigkeit gewesen, wie der von Mo Hammond. Chevy hatte es auch nicht besonders gut gefallen, ihn umbringen zu müssen.
Er seufzte und dachte darüber nach, wie nah er schon dran war. Zwei Puppen waren noch übrig.
Er ging in Mabels Esszimmer und nahm sich die Schachtel vor. Darin befanden sich die letzten beiden Puppen und ein Kinderwagen mit Speichenrädern. Jenny sah ihm zu, seine trübe Stimmung hatte auf sie abgefärbt. Er hob die Babypuppe aus dem Kinderwagen und trug sie zu ihr hinüber. »Hier«, sagte er. »Du kannst mit ihr spielen, bis ich sie wieder brauche.«
Sie antwortete nicht – wie schon in den letzten Tagen nicht.
Verdammt sei Neil Sheridan für das, was er ihr angetan hatte. Niemand durfte Jenny verletzen.
Entschlossenheit formte sich in Chevys Brust, und er ging zum Tisch zurück, um seine Arbeit an der Mutter zu beenden. Sheridans Untergang war bereits geplant: Sobald Chevy bereit war, Mabels Haus zu verlassen, wäre er dran.
Und danach Beth. Die Puppenmama Beth.
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42
N eil war bei Beth und Abby geblieben, doch völlig mit Berichten und Anrufen beschäftigt. Der erste kam von Copeland: »Die verbrannte Puppe war noch in gutem Zustand, als Stefan Larousse sie Anne Chaney gab«, sagte er. »Also hat Bankes sie angekokelt.«
»Was bedeutet, dass er nicht mehr länger Frauen wie Puppen aussehen lässt, sondern sich vorher an den Puppen zu schaffen macht.« So viel zum Thema, dass Beth anhand der letzten Puppen feststellen konnte, was Bankes mit ihr und Abby vorhatte.
»Trotzdem sollten auch die restlichen Puppen untersucht werden.«
»Sollten sie«, meinte Neil. »Von Beth.«
»Standlin macht sich Sorgen um Ihr Mädchen. Sie hat vorgeschlagen, dass wir einen eigenen Puppenexperten heranziehen.«
»Aber Beth weiß genau, was sie tut«, erwiderte Neil. »Sie will helfen.«
»Sicher. Aber wenn das letzte Paar auftaucht, und das Baby einen Strick um den Hals hat und der Puppenmama die Nippel abgeschnitten wurden, dann frage ich mich, wie sie damit zurechtkommen soll?«
Neils Magen hob sich. Ein Treffer für Standlin. »Okay. Werden alle Kollegen bewacht, die mit diesem Fall zu tun haben?«
»Wir sind noch einmal alle Videos durchgegangen. Jeder Agent oder Polizist, dessen Gesicht in den Nachrichten aufgetaucht ist, hat seine Familie mittlerweile weggebracht. Sacowiczs Frau ist mit den Kindern nach Long Island gefahren.«
»Ja, ich habe heute Morgen mit ihr gesprochen. Ricks Bruder ist bei ihr, er ist auch Polizist.« Der mit seinen slawischen Gesichtszügen und den kupferfarbenen Augenbrauen seinem Bruder Rick enorm ähnelte.
Lieber Himmel. Rick.
»Wir haben die Informationen über die Puppen an die Nachrichtensender rausgegeben«, sagte Copeland. »Und jede Version von Bankes’ möglichem Aussehen, die uns einfiel. Er scheint zu wissen, wie man die Wangen runder aussehen lässt, und er hat Latex für Falten genommen, um als Chadburne durchzugehen, und nur der
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