Puppengrab
Himmel weiß, welche Verkleidungstricks er noch kennt, schließlich hat er lange genug am Theater gearbeitet. Aber momentan kommen fünfzig Hinweise pro Stunde rein, denen wir nachgehen. Der Mistkerl wird nicht weit kommen, weil er nirgendwohin kann.«
»Er hat die Schusswaffe und Dämpfer aus Mo Hammonds Laden. Und er hat möglicherweise eine ältere Dame umgebracht und sitzt nun in ihrem Wohnzimmer und sieht sich die Nachrichten im Fernsehen an, während er ihre Fertiggerichte zum Abendessen verspeist. Und mit ihrem Wagen herumfährt.«
Copeland stieß einen Fluch aus. »Wenn er das tut, werden wir ihn niemals finden.«
Doch genau so war es. Neil wusste es. Er setzte sich an seinen Laptop und dachte alles noch einmal zehn Minuten lang durch. Dann rief er Copeland an. Eine Sekretärin bat ihn, in der Leitung zu bleiben, und erklärte, dass Copeland gerade telefonierte. Neil ging ungeduldig auf und ab, während er wartete.
»Haben Sie jemanden damit beauftragt, die eingehenden Pakete in Postämtern und bei UPS zu prüfen?«, fragte er, als Copeland schließlich ans Telefon kam.
»In dem Postamt, das Foster’s beliefert, werden die Pakete mit Röntgenstrahlen durchleuchtet. Und UPS und FedEx sind ebenfalls dabei, alles abzuscannen, was in das Stadtgebiet von D.C. geht.«
»Okay. Bankes wird ein Paket der besagten Größe nicht einfach einwerfen können. Aber was ist mit Kurierdiensten, die auch für Privatpersonen tätig sind, wie UPS ?«
»Die Fahrer wissen, dass sie nach allem Ausschau halten sollen, was an Größe und Gewicht hinkommen könnte. Sie haben sich Phantombilder von ihm – als Frau und als Mann – ans Armaturenbrett geklemmt. Doch wenn er uns jetzt etwas schicken will, dann wird er jemandem etwas dafür zahlen. Wie er es mit den Blumen getan hat. Vor zwei Wochen hat eine Mrs. Chadburne bei einem UPS -Depot in Boise einem Typen Geld dafür gezahlt, dass die Pakete zu bestimmten Terminen an Beth geliefert wurden. Chadburne hat ihm gesagt, dass sie nicht in der Stadt sei, die Pakete aber ausgeliefert werden müssten.«
Neil stieß hörbar den Atem aus. Das war nicht sehr erfolgversprechend.
»Hören Sie«, meinte Copeland dann, »es gibt trotzdem Neuigkeiten. Ich habe gerade mit dem Labor in Philadelphia gesprochen, das die Leichen der Mutter und des Großvaters untersucht. Halten Sie sich fest.«
Neil straffte den Rücken.
»Von Jenny – Chevys kleiner Schwester – waren noch Unterlagen eines Blutbilds im Krankenhaus archiviert. Die Untersuchungen an ihrem Großvater zeigten auffallend viele Übereinstimmungen. Wie es aussieht, war die Familie Bankes zusammen mit dem Großvater viel mehr als eine große, glückliche Familie.«
»Wie?« Er brauchte eine Minute, bis er begriff. »Inzest?«
»Es ist ausgeschlossen, dass Jennys Gene vom Stammbaum einer anderen Familie kommen. Peggy Bankes ist von ihrem Vater missbraucht worden. Das erklärt einiges, finden Sie nicht?«
Neils Gedanken überschlugen sich – Abby. »Was ist mit Chevy?«
»Nein, sein Vater stammte aus dem Nachbarort. Ein Klassenkamerad von Peggy namens David Moore. Wir haben mit seinen Eltern gesprochen, und die sagen, dass er nichts mehr mit Peggy zu tun hatte, nachdem Robin Bankes herausfand, dass sie schwanger war. Er hat den Jungen fast zu Tode geprügelt und Peggy im Haus eingeschlossen.«
Eine Mischung aus Übelkeit und Erleichterung überkam Neil. Es war schon schlimm genug, dass Bankes’ Blut durch Abbys Adern floss. Doch der Gedanke, dass dessen Wurzeln im Inzest lägen … »Peggy Bankes wurde also von ihrem Vater missbraucht. Robin Bankes war Jennys Vater.«
»Und gleichzeitig der Großvater. Standlin wird ihre helle Freude an dem Fall haben«, meinte Copeland.
»Es
hätte
also durchaus ein Kind vor Chevy geben können. Alle sagen zwar aus, dass Peggy keinen festen Freund hatte, bis sie mit Chevys Vater zusammen war, aber«, er unterbrach sich und krümmte sich innerlich bei dem Gedanken, »der war vielleicht gar nicht nötig gewesen.«
»Mann.« Neil hatte Copeland vor Augen, der sich mit der Hand über den Schädel fuhr. »Ich hake noch mal im Labor wegen der Bibel und der Quittung nach, die Sie gefunden haben. Doch wie dem auch sei, wir scheinen hier einen typischen Fall von langjährigem Missbrauch im häuslichen Umfeld zu haben. Peggy Bankes hat ihr Leben damit zugebracht, allem von außen den Anschein einer heilen Welt zu geben. Diese Familie ist ein Füllhorn für jeden Psychiater.«
»Gibt
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