Puppengrab
gefallen ist.«
»Das ist doch Schwachsinn«, sagte Neil, doch Rick unterbrach ihn.
»Vielleicht nicht.«
»Was?«, wollte Neil wissen. Rick sah zu Boden.
»Vor ein paar Stunden hat das FBI in Denver die Leiterin der Selbsthilfegruppe von Thelma Jacobs zum Reden gebracht«, erklärte Rick. »An dem Tag, als Jacobs verschwand, hatte sie erfahren, dass sie ihren Krebs nicht besiegt hatte. Sie war verzweifelt und sprach darüber, dass sie ihrem Sohn nicht abverlangen wolle, sie zu pflegen und all das.«
»Oh, Mann«, sagte Neil.
»Und deshalb«, führte Lochner den Gedanken weiter, »glaubt die Leiterin der Gruppe, Thelma Jacobs könnte sich abgesetzt oder Selbstmord begangen haben.«
»Und vorher ihr eigenes Auto von sämtlichen Spuren befreit haben? So ein Schwachsinn«, brauste Neil auf. »Um dann noch ein Telefonat mit derselben Frau zu führen wie Lila Beckenridge?«
Doch Lochner blieb unverdrossen. »Lassen Sie mich raten: Die Frau aus Omaha wird noch nicht
offiziell
vermisst. Sie sagten, dass sie erst seit heute Morgen verschwunden ist.«
»Sie hat eine Verabredung nicht eingehalten, das ist alles«, sagte Rick. »Aber ihre Familie schwört, dass ihr das überhaupt nicht ähnlich sieht.« Er wirkte plötzlich erschöpft. Die meisten Leute glaubten, dass Cops häufig Magengeschwüre wegen der Verbrechen bekamen, mit denen sie sich auseinandersetzen mussten. Dabei lag es allein an den Anwälten.
Aber es stimmte. Wenn Neil ehrlich war, stolperte auch er über den Vermisstenfall aus Denver. Vielleicht hatten sie es gar nicht mit zwei Vermissten zu tun. Vielleicht handelte es sich um eine Krebskranke, die untergetaucht war, und eine andere Frau, die heute Morgen einfach ihren Friseurtermin vergessen und damit ihr Familie zu Tode erschreckt hatte. Vielleicht war das Handy der Toten aus Seattle tatsächlich von einem Fremden gefunden worden, der Elizabeth Denisons Nummer zufällig gewählt hatte. Vielleicht waren alle diese Übereinstimmungen zwischen den Morden an Gloria Michaels und Lila Beckenridge nur Neils Hirngespinste.
Und vielleicht fielen Ostern und Weihnachten dieses Jahr auf einen Tag.
»Selbst wenn wir die vermisste Frau außer Acht lassen – was ist mit meinem Fall?«, fragte er. »Es gibt einfach zu viele Übereinstimmungen zwischen Gloria Michaels und der Tänzerin aus Seattle.«
»Und die wären?«
Er zählte die Fakten auf, und Lochner hörte ihm zu. Dann schwieg sie lange. Schließlich ging sie zum Angriff über. »Hat der Staatsanwalt die Akte auf Basis der vorliegenden Erkenntnisse wieder geöffnet? Oder etwa das FBI ?«
Neil warf ihr einen finsteren Blick zu.
»Habe ich es mir doch gedacht.« Sie schnappte sich ihre Aktentasche. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, meine Herren. Ich möchte gern mit meiner Mandantin sprechen.«
Als sie ins Vernehmungszimmer verschwand, sah Neil ihr mit gerunzelter Stirn nach. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, wandte er sich Rick zu. »Sie hat die einzig logische Frage nicht gestellt.«
»Hm?«
»Du hast ihr gesagt, wir besäßen die Aufzeichnung des letzten Anrufs, der an Elizabeth Denison ging. Doch Lochner wollte nicht wissen, was zu hören ist.«
Rick legte die Stirn in Falten. »Du meinst, sie weiß schon davon?«
»Ich weiß nicht, wie das geschehen sein könnte. Als der Anruf einging, waren wir längst an Denison dran.« Plötzlich kam ihm ein Gedanke. »Es sei denn, Denison hat ihr schon vorher von den Anrufen erzählt.«
Rick rieb sich mit der Hand über das Gesicht. »Wenn das der Fall ist, weiß Denison bereits seit geraumer Zeit, dass sie ein Problem hat. Warum sollte sie sich sonst eine Anwältin nehmen?«
Neil dachte darüber nach, doch es fiel ihm kein anderes Motiv ein. Es musste einen Grund geben, weshalb Elizabeth Denison log. Und Adele Lochner schien im Vorfeld über die Anrufe informiert worden zu sein. Zudem gab es bestimmt auch einen Grund dafür, dass Denison mit erhobenen Fäusten durch die Welt lief und stets kampfbereit war.
»Ich habe Beth Denison heute kaum angefasst, und sie war kurz davor, mich zu kastrieren«, sagte Neil.
»Was?«
»Langsam glaube ich, dass sie riesige Angst hat. Du hast gesehen, wie sehr sie zitterte, als du dich mit ihr unterhalten hast. Als wäre sie auf Crack oder so.«
»Aber warum sagt sie uns dann nichts?«
»Vielleicht hat sie mehr Angst vor ihm als vor uns. Oder er hat etwas gegen sie in der Hand.«
»Oder … denkst du, dass sie in ihn verliebt
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