Puppengrab
sicher?«
»Lieutenant Sacowicz wollte nicht, dass sie über Nacht unter Vormundschaft gestellt wird, das ist alles. Er hat bei einer Sachbearbeiterin des Jugendamts einen Gefallen eingelöst und eine andere Vereinbarung getroffen.«
»Was für eine andere Vereinbarung? Wo ist sie?«
Neil hatte Mühe, nicht zu lächeln. Mein Gott, sie liebte dieses kleine Mädchen sehr. Wie klein und zerbrechlich sie gerade wirkte. Sie berührte einen Punkt seiner Seele, den er schon lange für abgestorben gehalten hatte.
»Vielleicht sollten Sie lieber selbst mit ihr sprechen«, sagte er und zog sein Handy hervor. Er wählte und fragte nach Abby. Dann reichte er Denison das Gerät.
»Geht’s dir gut, Kleines?«, fragte sie.
Schweigen.
»Ich komme jetzt und hole dich ab, Süße. Ich bin gleich da.« Pause. »Was?« Denison machte ein verdutztes Gesicht. »Nein, ich komme jetzt gleich. Ich hab dich lieb.«
Als sie Neil das Handy zurückgab, wirkte sie perplex.
»Alles klar?«, wollte er wissen.
»Sie ist sauer, weil ich sie abholen komme. Sie möchte noch ein bisschen bleiben.«
Neil schmunzelte. »Na, sehen Sie. Sie müssen sich keine Sorgen machen.« Endlich hatte sie sich beruhigt. »Was halten Sie von folgendem Deal: Vergessen Sie das Taxi, fahren Sie mit mir, und in dreißig Minuten haben Sie Ihre Tochter zurück.«
Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Und was muss ich dafür tun?«
»Wie bitte?«
»Sie sprachen von einem Deal. Was wollen Sie dafür von mir?«
Neil betrachtete sie. Er hätte sie in diesem Moment um alles bitten können, und sie hätte eingewilligt. Alles für ihre Tochter. »Da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt«, sagte er schließlich, und seine Stimme klang ein wenig rauh. »Das ist kein Deal. Manche Sachen macht man einfach nicht. Eine Mutter sollte nicht von ihrem Kind getrennt werden, das ist alles.«
Sie sah ihn aufrichtig bestürzt an.
»Na, kommen Sie. Ich verkneife es mir sogar, Sie auf der Fahrt über die Telefonate auszuquetschen.« Als sie noch immer zögerte, legte Neil den gestreckten Zeige- und Mittelfinger an die linke Brustseite. »Großes Indianerehrenwort.«
Sie fuhren in einem Mietwagen – ein sportlicher Dodge, der ungefähr zehn Kategorien über dem üblichen Mietauto lag. Beth ließ den Kopf gegen die Kopfstütze sinken. Erschöpft und aufgewühlt konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Cheryl und Jeff kamen erst in zwei Tagen nach Hause, um Abby zu sich zu holen. Beth konnte fast spüren, wie Bankes näher kam. Sie betete, dass er noch ein paar Tage brauchte, bis er hier war. Und sie betete, dass es ihm, wenn er erst einmal hier war, genauso wichtig war, ihr Geheimnis zu hüten. Vielleicht konnte sie ihn dazu bringen, sie in Ruhe zu lassen. Sie hatte Geld, um ihn zu bestechen. Und sie hatte Adele Lochner, um ihm zu drohen. Sie wusste, wo sie Abby verstecken konnte, und sie besaß die finanzielle Sicherheit, um davonzulaufen, wenn es nötig werden sollte. Und falls er sie verfolgte, hatte sie ihre Glock …
»Ist Ihnen kalt?«, fragte Sheridan überraschend leise. »Ich kann die Heizung anstellen.«
Großer Gott, sie zitterte schon wieder. Diese verdammten Kälteschauder. »Alles in Ordnung.«
Er stellte trotzdem die Heizung an. Es vergingen fünf Minuten, bevor er sie wieder abstellte und fragte: »Sind Sie in ihn verliebt?«
Natürlich meinte er Bankes. »Was ist mit dem großen Indianerehrenwort passiert?«
»Ich sprach nur von den Anrufen. Aber das hier ist … persönlich.« Sie sah ihn überrascht an. Er zuckte mit den Schultern. »Zeigen Sie mich ruhig an, aber ich finde Sie attraktiv.«
Widerwillig bemerkte Beth, dass ein Prickeln sie überlief. Sie verschränkte die Arme eng vor der Brust.
»Sind Sie in ihn verliebt?«, fragte er noch einmal.
»Nein.«
Er steuerte den Wagen um eine Ecke und hielt neben einer Straßenlampe. »Dann habe ich noch eine Frage. Eine persönliche.« Seine kristallblauen Augen sahen sie direkt an. »Läuft etwas zwischen Ihnen und Evan Foster?«
Beth schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Und wenn ich ihn fragen würde, bekäme ich dann die gleiche Antwort?«
Sie senkte den Blick.
»Oho, das habe ich mir doch gleich gedacht«, sagte er und lenkte das Auto wieder auf die Straße. Sie fuhren über eine Kreuzung. Neil Sheridan hatte eine Hand locker auf das Lenkrad gelegt und wirkte so entspannt, als unterhielten sie sich über das Wetter und nicht über etwas so Intimes wie Beths Liebesleben. Sie warf ihm einen
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