Puppengrab
verstohlenen Seitenblick zu, um ihn im Profil zu betrachten, und spürte, dass die Mauern in ihrem Inneren gefährlich wackelten. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, dass Sheridan in ihre Seele eintauchen und sich ein Stück herausnehmen konnte, wenn er wollte. »Dann tragen Sie also sieben Jahre nach dem Tod Ihres Mannes noch immer Ihren Ehering und haben bisher keinem anderen Mann die Chance gegeben, Ihnen näherzukommen. Und Ihr Privatleben besteht aus Baseball und Elternabenden.«
»Ich wüsste nicht, warum Sie das etwas angehen sollte«, sagte Beth.
Er zuckte verhalten mit den breiten Schultern. »Ich finde nur, dass sieben Jahre eine zu lange Zeit sind, um allein zu bleiben. Das ist alles.«
Allein.
Sie schloss die Augen, um die Welt auszuschließen. Ihre Lider waren so schwer, dass sie sich wünschte, sie nie wieder öffnen zu müssen. Allein zu sein war der Schlüssel zum Überleben. Allein zu sein war die einzige Möglichkeit, nie wieder einen derartigen Verlust erleben zu müssen. Allein zu sein gab ihr die Chance, die Geheimnisse zu hüten, die nur Adam gekannt hatte.
Erzähle niemandem davon. Vertrau mir, Beth. Ich kümmere mich um alles …
»Ms. Denison.«
Sie schreckte hoch und sah, dass Neil Sheridan neben der geöffneten Beifahrertür stand. Vorsichtig schob er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Sie haben zwanzig Minuten geschlafen«, sagte er und beantwortete damit ihre stumme Frage. »Abby ist hier.«
Beth stieg langsam aus dem Auto. Sie hatten in einem hübschen Viertel gehalten und standen in einer Einfahrt, die von roten und gelben Tulpen gesäumt war. »Wo sind wir?«, fragte sie.
Sheridan hatte ihr sanft eine Hand ins Kreuz gelegt. »Bei Lieutenant Sacowicz.«
Der Polizist hatte Abby mit nach Hause genommen? Beth spürte, wie Wut in ihr aufflammte, doch dann erinnerte sie sich an die Alternative: vorübergehende Vormundschaft durch das Jugendamt. Und daran, was Abby am Telefon gesagt hatte:
Mommy, bitte … Kann ich nicht noch ein bisschen länger bleiben?
Noch bevor sich Beth entscheiden konnte, ob sie wütend oder dankbar war, öffnete sich die Haustür.
»Onkel Neil, Onkel Neil!« Drei Jungen schoben sich an einer Frau vorbei, kamen die Treppe heruntergerannt und stürzten auf Sheridan zu. In Anzug und Krawatte ging er, wie er war, in die Hocke, zog den ersten Jungen in eine feste Umarmung und rollte ihn sich auf den Rücken, gerade rechtzeitig, um die nächsten Angriffe abzuwehren. Gemeinsam balgten und lachten sie miteinander, bis Sheridan sie zur Vernunft rief. Er wuschelte ihnen durchs Haar, glättete mit einer Handbewegung seine schiefe Krawatte und ging zur Veranda. »Danke, dass du heute für uns eingesprungen bist, meine Liebe«, sagte er und gab der sommersprossigen Frau einen Kuss auf die Wange.
»Kein Problem.«
In Beths Kopf kreisten die Gedanken.
Onkel Neil. Sacowicz’ Ehefrau. Meine Liebe.
»Ich bin Maggie Sacowicz«, sagte die Frau, während sie Beth die Hand hinhielt. »Kommen Sie herein. Abby ist im Wohnzimmer.«
Das kleine Mädchen kam in Beths Arme geeilt. »Mommy, sie haben ein kleines Baby! Ich habe geholfen, ihr die Windel zu wechseln. Und du wirst Augen machen, wenn ich dir alle Witze von Ritchie erzähle.« Sie wirbelte zu Sheridan herum, dem einen Moment lang ein panisches Flackern in den strahlend blauen Augen stand. »Hey, warum wurde der Schmetterling aus der Volleyballmannschaft geworfen?«
»Äh … weil er immer gleichzeitig auf dem linken und dem rechten Flügel gespielt hat.«
Abby dachte einen Moment lang darüber nach und legte dann die Stirn in Falten. »Weil er nicht pritschen konnte. Deswegen haben sie den SCHMETTER -ling aus der Mannschaft geworfen.«
Sheridan grinste. »Meiner war genauso witzig«, sagte er dann und ging mit den Jungen nach draußen.
Abby zog Beth ins Spielzimmer. Spielzeuglaster und Bulldozer waren kreuz und quer auf dem Boden verteilt. Auf dem Sofa lagen ein Baseballschläger und ein Superman-Umhang. Und auf dem Computermonitor flackerte im Pause-Modus eines dieser Ballerspiele, in denen man Außerirdische abknallen musste. In der hinteren Ecke befand sich ein Laufstall mit einem acht oder neun Monate alten Mädchen, das eine Baseballkappe trug und auf einer Action-Figur herumnagte, die halb Mensch, halb Tier war. Sie war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.
»Abby hat für mich auf unser Baby aufgepasst«, erklärte Maggie. »Und ein bisschen Mommy gespielt.«
»Das ist typisch für sie. Ich
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