Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
den er Jean bot: zwei Speckringe in der Mitte und an Armen und Schultern mehr Fett als Muskeln. Der einzige Trost: von vorne hätte er noch schlimmer ausgesehen.
»Erwürgt«, sagte er zu ihr und schlüpfte wieder unter die Laken.
»Dann ist es also schnell gegangen?«
»Ja. Ein Hämatom direkt an der Halsschlagader. Wahrscheinlich hat das Mädchen zuerst das Bewusstsein verloren, und dann hat er sie erwürgt.«
»Und wieso hat er das so gemacht?«
»Weil es leichter ist, jemanden zu töten, der keinen Widerstand leistet.«
»Du kennst dich wirklich gut aus. Schon mal jemanden umgebracht, John?«
»Hat aber niemand mitbekommen.«
»Das ist eine Lüge, nicht wahr?«
Er sah sie an und nickte. Sie lehnte sich zu ihm herüber und küsste seine Schulter.
»Du möchtest nicht darüber sprechen, das ist schon in Ordnung.«
Er umschlang sie mit den Armen und küsste ihr Haar. In dem Zimmer gab es einen Standspiegel, in dem man sich von oben bis unten sehen konnte. Doch der Spiegel war umgedreht. Rebus überlegte, ob das Absicht war, wollte aber nicht fragen.
»Und wo genau verläuft die Halsschlagader?«, fragte sie.
Er legte sich einen Finger an den Hals. »Wenn du hier auf diese Stelle drückst, bin ich nach einigen Sekunden bewusstlos.«
Sie betastete ihren Hals, bis sie die Ader gefunden hatte »Interessant«, sagte sie. »Ist das allgemein bekannt?«
»Was?«
»Wo sich diese Ader befindet und was sie bewirkt?«
»Ich glaube nicht, nein. Worauf willst du hinaus?«
»Ich meine nur: Dann muss der Täter sich damit ausgekannt haben.«
»Die meisten Polizisten kennen den Trick«, sagte er. »Wird kaum noch praktiziert, aus nahe liegenden Gründen. Aber früher haben wir renitente Gefangene manchmal auf diese Weise gefügig gemacht. Wir haben das Dreifingersalut genannt.«
Sie lächelte. »Wie bitte?«
»Ach, das kommt aus der Serie Star Trek. Du kennst doch sicher Spock?« Er kniff sie zwischen die Schulterblätter. Sie machte sich los, verpasste ihm einen Klaps auf die Brust und ließ die Hand dann dort liegen. Rebus musste an seine Armeeausbildung denken, an die Angriffstechniken, die er dort erlernt hatte, einschließlich der Methode, die Halsschlagader zu blockieren.
»Aber Ärzte kennen sich natürlich damit aus?«, fragte Jean.
»Vermutlich jeder, der eine medizinische Ausbildung hat.«
Sie machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Wieso?«, fragte er schließlich.
»Ach, mir ist nur eine Zeitungsmeldung eingefallen. Studiert nicht einer von Philippas Freunden Medizin, ich meine einer der Jungen, mit denen sie an dem Abend verabredet war?«
10
Der Mann hieß Albert Winfield - seine Freunde nannten in »Albie«-Er schien überrascht, dass die Polizei ihn nochmals vernehmen wollte, tauchte jedoch am nächsten Morgen zur vereinbarten Zeit auf dem Revier in der St. Leonard's Street auf. Rebus und Siobhan ließen ihn eine volle Viertelstunde warten, während sie andere Arbeiten erledigten, und sorgten dann dafür, dass der Mann von zwei stämmigen Beamten in das Vernehmungszimmer geführt wurde, wo sie ihn abermals fünfzehn Minuten sich selbst überließen. Vor der Tür sahen Siobhan und Rebus einander an und nickten sich zu. Dann stürmte Rebus in das Zimmer.
»Vielen Dank, dass Sie vorbeigekommen sind, Mr. Winfield«, bellte er. Der junge Mann wäre fast von seinem Stuhl aufgesprungen. Das Fenster war fest verschlossen, die Luft zum Schneiden. Drei Stühle: zwei auf der einen Seite des schmalen Tisches, einer auf der anderen. Winfield hatte also die ganze Zeit die beiden leeren Stühle vor sich gehabt. Eine der Schmalseiten des Tisches war gegen die Wand gerückt, wo Tonbandgeräte und ein Videorekorder befestigt waren. Der Tisch selbst war mit Namen voll gekritzelt, die davon zeugten, dass sich in diesem Raum Leute namens Shug, Jazz und Bomber gelangweilt hatten. An der Wand ein mit Kuli übermaltes »Bitte nicht Rauchen«-Schild und oben knapp unterhalb der Decke eine Videokamera, mit der sich die Geschehnisse in dem Raum festhalten ließen, falls jemand das für geboten hielt.
Rebus bemühte sich, die Stuhlbeine möglichst geräuschvoll am Boden entlangzuziehen, als er Winfield gegenüber Platz nahm. Vorher hatte er bereits einen mächtigen unbeschrifteten Ordner auf den Tisch geknallt. Winfield war wie betäubt, Er konnte ja nicht ahnen, dass sich in der Mappe lediglich ein Stapel Papier befand, den Rebus aus einem Kopierer entwendet hatte.
Rebus legte die Hand auf den Ordner und sah
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