Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
nicht verlassen kann.«
»Und - war das wirklich so?«, frage Rebus.
»Es geht hier nicht um mich, sondern um Flip«, sagte David. »Sie hat ständig geträumt, dass sie im Londoner Haus
ihrer Eltern die Treppe rauf- und runterrennt, weil etwas hinter ihr her ist. Das ging fast zwei Wochen jede Nacht so.«
»Und was haben Sie dagegen getan?«
»Ich hab mir ein paar Psychologiebücher besorgt und darin gelesen. Und dann hab ich gesagt, dass diese Träume womöglich was mit verdrängten Erinnerungen zu tun haben.«
»Ich begreife den Jungen nicht mehr«, sagte Thomas Costello. Sein Sohn sah ihm ins Gesicht.
»Hättest du nicht gedacht, dass das mal passieren würde was?« Die beiden starrten einander an. Rebus hatte das Gefühl, dass er David verstand: Neben einem Mann wie Thomas Costello aufzuwachsen, war gewiss nicht einfach gewesen. Vielleicht erklärte das Davids jugendliche Eskapaden...
»Aber sie hat nie gesagt, was das für Erinnerungen gewesen sein könnten?«, fragte Rebus.
David schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich war alles ganz harmlos. Schließlich können Träume alles Mögliche bedeuten.«
»Aber Flip hat geglaubt, dass mehr dahinter steckt?«
»Eine Zeit lang schon.«
»Hat sie mit ihrer Mutter darüber gesprochen?«
David nickte. »Und die hat mir dann die Schuld gegeben.«
»Diese blöde Frau«, zischte Thomas Costello. Er rieb sich die Stirn. »Aber sie hat ja einiges durchgemacht, einiges durchgemacht...«
»Das war lange vor Flips Verschwinden«, erinnerte ihn Rebus.
»Davon spreche ich nicht: Ich meine die Balfour Bank«, knurrte Costello. Die Wut auf seinen Sohn war noch immer nicht abgeklungen.
Rebus hob die Augenbrauen. »Wie meinen Sie das?«
»Dublin ist voll von Finanzleuten. Da hört man natürlich so manches.«
»Über die Balfour Bank?«
»Ich weiß selbst nicht genau, worum es geht: unsichere Kredite, Liquiditätsengpässe... solche Sachen.«
»Soll das heißen, dass die Balfour Bank Probleme hat?«
Costello schüttelte den Kopf. »Ich habe nur gehört, dass es dahin kommen könnte, wenn der Vorstand das Steuer nicht bald herumreißt. Die Sache ist doch die, dass im Finanzbereich alles auf Vertrauen beruht. Gelegentlich reichen ein paar wilde Gerüchte schon aus, um immensen Schaden anzurichten.«
Rebus hatte das Gefühl, dass Costello über diese Dinge nicht hatte sprechen wollen, aber wegen der Beschuldigungen, die Jacqueline Balfour gegen seinen Sohn erhoben hatte, seine Meinung geändert hatte. Er machte sich die erste Notiz der Vernehmung: »Balfour Bank überprüfen«.
Eigentlich hatte er vorgehabt, die Exzesse anzusprechen, für die Vater und Sohn Costello früher in Dublin berühmt gewesen waren. Doch David schien sich inzwischen gefangen zu haben, seine wilden Jahre lagen offenbar hinter ihm. Und was den Vater betraf, so waren die Symptome eines aufbrausenden Temperaments nicht zu übersehen. Allerdings konnte Rebus auf eine weitere Demonstration dieses Jähzorns gut verzichten.
Rebus und die Costellos saßen einander stumm gegenüber, während Wylie aus dem Fenster starrte.
»Reicht das fürs Erste, Inspektor?«, fragte Costello schließlich, kramte demonstrativ eine goldene Uhr aus der Hosentasche und ließ sie auf- und zuschnappen.
»Ja, glaub ich schon«, erwiderte Rebus. »Wissen Sie, wann die Beerdigung stattfindet?«
»Am Mittwoch«, sagte Costello.
Wenn es sich um einen Mord handelte, wurde die Bestattung des Opfers meist so lange wie möglich hinausgezögert, für den Fall, dass noch neues Beweismaterial ans Licht kommen sollte. Rebus vermutete, dass Beziehungen den Ausschlag gegeben hatten: John Balfour hatte wieder einmal seinen Willen durchgesetzt.
»Eine Erdbestattung?«
Costello nickte. Erdbestattung war gut, schließlich ließ sich eine verbrannte Leiche nicht mehr exhumieren, sollte sich das doch noch als notwendig erweisen...
»Gut«, sagte er, »es sei denn, einer von Ihnen möchte seinen bisherigen Ausführungen noch etwas hinzufügen...«
Das war offenbar nicht der Fall. Rebus stand auf.
»Gehen wir, Detective Wylie«, sagte er. Sie sah ihn an, als ob er sie geweckt hätte.
Costello bestand darauf, sie zur Tür zu begleiten, und reichte ihnen beiden dann die Hand. David blieb auf seinem Stuhl sitzen. Er führte gerade wieder den Apfel zum Mund, als Rebus sich draußen verabschiedete.
Dann fiel die Tür fast lautlos ins Schloss. Rebus blieb noch kurz stehen, konnte aber beim besten Willen nicht hören, was innen gesprochen
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