Puppenspiele
Besuch. Clarissa tat erfreut, ihn zu sehen. Sie goss zwei Whisky ein und setzte sich möglichst verführerisch in Szene.
Howela genoss den Whisky, und er genoss Clarissas fast schon devote Bemühungen um sein Wohlbefinden. Mit einer gewissen Selbstzufriedenheit erzählte er von seiner Begegnung mit Niklas: »Ich hatte Glück, großes Glück, das muss ich gestehen, auch wenn du mich für einen gewieften Profi hältst.«
Clarissa fiel auf, dass er sie duzte. Sie hielt das für ein gutes Zeichen und lächelte ihn aufmunternd an.
Howela fuhr fort: »Das Schwein hatte mir schon zwei Finger abgeschnitten. Ich schätze, er hätte mit den anderen gerne weitergemacht. Und dann mit den Zehen und den Ohren. Zumindest hat er das so angekündigt.«
»Das ist krank! Wie bist du entkommen?« Clarissa konnte nur mit Mühe die eine Frage, die sie wirklich interessierte, zurückhalten: ob Niklas tot sei. Aber sie wollte Howela keinesfalls verärgern, indem sie ihm seine Heldengeschichte zerstörte.
»Er bekam einen Anruf. Ich weiß nicht, worum es ging, er sprach französisch. Jedenfalls war er sehr verärgert, zog seine Jacke über und fuhr mit dem Auto weg. Vorher hatte er noch einmal meine Fesseln überprüft und mir einen stinkenden Lappen als Knebel in den Mund gestopft.«
Clarissa verzog angewidert die Mundwinkel.
»Dann war er weg. Ich saß da, gefesselt auf einem Stuhl und war kurz vorm Verbluten. Der ganze Saft lief aus mir raus.«
Howela nahm einen kräftigen Schluck vom Whisky.
»Ich sah mich um. Da war nicht viel, was ich hätte tun können. Von den Küchenmessern war ich zu weit entfernt. Ich saß im Wohnzimmer. Aber in der Nähe meines Stuhles stand eine Skulptur aus grob gehauenem Stein. Dein Sohn hat übrigens einen exklusiven Kunstgeschmack.«
»Er hat dir gesagt, dass ich seine Mutter …?« Clarissa brach verunsichert ab. Sie wusste nicht, was sie von all dem zu halten hatte. War es vorbei? Was hatte Niklas noch alles erzählt? Sie hasste Howelas Weitschweifigkeit.
»Ich habe keinen Schimmer, was die Skulptur darstellen sollte. Aber sie besaß an einer Seite einen scharfkantigen Rand. Mit dem Stuhl warf ich mich zur Seite um und konnte mich bis zur Skulptur robben. Es hat bestimmt zwei Stunden gedauert, ehe ich meine Handfesseln durch hatte. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, dass er vorher zurückkommen könnte.«
»Das ist er aber nicht, oder?« Clarissas Hoffnungen auf einen final erledigten Niklas schwanden.
»Dann würde ich jetzt nicht mehr leben«, sagte Howela. Dabei verfinsterte sich nun doch seine Miene.
Zögernd legte Clarissa ihre Hand auf seinen Oberschenkel. »Bist du sauer, dass ich nicht die Polizei geschickt habe? Aber weißt du, ich dachte, die kommen unmöglich noch rechtzeitig. Außerdem …«
Howela unterbrach sie regungslos: »Lass. Bei derartigen Aufträgen ist man nun mal auf sich allein gestellt. Ich hätte es an deiner Stelle vermutlich nicht anders gemacht.«
»Und warum meldest du dich jetzt erst? Du hast mich tagelang glauben lassen, dass du tot bist!« Es gelang ihr sogar, ein wenig vorwurfsvolle Entrüstung in die Stimme zu legen.
»Dein Sohn wohnt leider etwas außerhalb der Zivilisation …«
»Bitte nenne ihn nicht so«, warf Clarissa verärgert ein.
»Ich musste bis zur Straße, an der mein Auto stand, durch ein Wäldchen. Unterwegs bin ich aufgrund des hohen Blutverlustes zusammengebrochen. Dort hat mich ein Förster gefunden und ins Krankenhaus einliefern lassen. Als ich wieder zu mir kam, saß ein luxemburgischer Polizist an meinem Bett. Es war gar nicht so einfach, ihm meine abgeschnittenen Finger zu erklären. Seine Nachlässigkeit beim Protokollieren hat mich einige Euros gekostet. Heute Morgen haben sie mich dann entlassen. Ich dachte, ich überrasche dich.« Howela lächelte Clarissa an.
Sie lächelte zurück. »Wie schön. Ich bin wirklich froh, dass es dir gut geht.« Ihr Blick streifte Howelas verstümmelte Hand. »So weit.«
»Hast du in der Zwischenzeit von ihm gehört? Glaube mir, das mit den Fingern, das wird er mir büßen!«
Clarissa erzählte ihm knapp von den beängstigenden Ereignissen der letzten Tage. Doch Howela stand der Sinn inzwischen nach etwas anderem.
»Jetzt poppen sie«, sagte Patrick und reichte seinem Kumpel Hannes das Fernglas. Hannes griff interessiert danach: »Na, supi. Licht ausgemacht. Dabei hätte ich echt gerne mal gesehen, was so ’ne alte Schickse noch drauf hat.«
Christian ging das Geschwätz auf die
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