Puppenspiele
irgendeiner Umgebung einschüchtern ließ.
Christian saß wie ein Sekundant neben Eveyln Kopper, sodass für Clarissa der durchaus beabsichtigte Eindruck entstand, einem Tribunal beizuwohnen.
»Erzähl!«, sagte Eveyln mit gepresster Stimme.
»Wenn ich nur wüsste, was?« Noch gelang Clarissa ein leichthin unschuldiger Tonfall.
»Frau Wedekind«, mischte sich Christian ein. »Meine Geduld ist an ihrem Ende. Der ›Herzensbrecher‹ hat eine Kollegin von mir in seiner Gewalt. Jede Sekunde zählt! Wenn ihr auch nur ein Haar gekrümmt wird und ich herausfinde, was ich schon lange vermute, nämlich dass Sie genau wissen, wen wir suchen müssen, dann gnade Ihnen Gott!«
»Sie drohen mir?«
»Was hat Sarah mit all diesen geklonten Mädchen zu tun?« Evelyns Stimme war kurz vorm Kippen.
»Die waren nicht geklont«, belehrte Clarissa ihre Schwester verächtlich. »Klonen ist etwas ganz anderes. Sie waren in-vitro gezeugt.«
»Danke für die Belehrung!« Evelyn wandte sich an Christian: »Schon in der Schule hat sie mich immer als ihre kleine, hässliche Schwester vorgeführt!«
Christian verspürte keinerlei Interesse, die beiden Frauen in die Scharmützel ihrer Kindheit und Jugend abdriften zu lassen. Karens Leben stand auf dem Spiel. »Frau Wedekind, ich habe Grund zu der Annahme, dass Sie den von uns gesuchten Mörder schützen. Ich habe ebenfalls Gründe für die Vermutung, dass er mit dem Elite-Programm von ›Living Angels‹ in Zusammenhang steht. Genau wie Sie. Nur ist mir die Art des Zusammenhangs nicht klar. Sie sind der Schlüssel, das weiß ich. Selbst Professor Svensson hat mich darauf hingewiesen. Also rücken Sie endlich raus mit der Sprache, sonst vergesse ich mich!«
In Clarissa Wedekind arbeitete es kaum merklich.
Ihre Schwester hakte nach, nun in einem fast bittenden Tonfall: »Hast du dir vielleicht auch ein Kind von Svensson machen lassen und mir nie davon erzählt? Immerhin hast du mir mal von Svensson und seiner Arbeit bei ›Living Angels‹ erzählt! Vielleicht willst du nicht darüber sprechen aus Angst, dass dein Kind auch getötet werden könnte? Das könnte ich verstehen, wirklich, Clarissa. Aber sag es mir endlich! Ich muss wissen, warum das alles mit Sarah passiert ist!«
Christian wandte sich an Eveyln. Er wollte durch ihre Einwürfe keine wertvolle Zeit verlieren: »Ihre Schwester war niemals schwanger. Das haben wir überprüft.«
Evelyn lachte bitter auf: »Das hat nichts zu sagen. Ich traue Clarissa ohne Weiteres zu, dass sie sich ’ne Leihmutter kauft. Nur damit sie ihre prima Figur nicht verdirbt und dann auch noch mit Schwangerschaftsstreifen herumläuft!«
Im Augenwinkel bemerkte Christian, wie Clarissa bei Evelyns Satz zusammenzuckte. Er sah sie an. Clarissa bemühte sich, seinem Blick fest und unverfroren standzuhalten. Doch in ihren Augen flackerte es.
Die schlagartige Erkenntnis peitschte Christians Puls in die Höhe. Konnte das wirklich sein? Hatte Evelyn gerade nichtsahnend den Nagel auf den Kopf getroffen. Erregt stand Christian vom Sofa auf, machte einen Schritt auf Clarissa zu und stützte sich mit beiden Händen auf Clarissas Sessellehnen, sodass sie ihm keinesfalls ausweichen konnte: »Sie haben einen Sohn, nicht wahr? Niklas Schmitt ist Ihr Sohn! Und er stammt aus dem gleichen Programm wie seine Opfer! Vom gleichen Samenspender, einem Nobelpreisträger! Er hat seine Halbschwestern gesucht. Und getötet.«
Clarissa gab keine Antwort. Die Erwähnung des Namens Niklas Schmitt hatte sie versteinert.
Evelyn blickte von Clarissa zu Christian und wieder zurück. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie begriff, was Christian gerade gesagt hatte. Dann kam Bewegung in sie. Sie sprang auf, stieß Christian beiseite und stürzte sich auf ihre Schwester. Mit beiden Fäusten schlug sie auf Clarissa ein: »Stimmt das? Sag mir, ob das stimmt? Wenn er dein Sohn ist, dann war Sarah seine Kusine!«
Als Christian die beiden Frauen mit ein paar rigorosen Griffen voneinander trennte, begriff er zum ersten Mal, wie Sarah Kopper in die Reihe passte: Niklas Schmitt klapperte seine Familie ab. Christian hielt die nach ihm tretende und kratzende Evelyn eisern umklammert, fixierte aber Clarissa. »Wo ist der Scheißkerl? Wie kann ich ihn finden?«
Clarissa erhob sich langsam und strich mit einer gezierten Bewegung ihren Bleistiftrock glatt. Ihre Hände zitterten kaum merklich. »Alles, was Sie sagen, Herr Beyer, und auch was du dir da zusammenphantasierst, liebe Evelyn, entbehrt
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