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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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Fernhändler, darüber war er sich im Klaren, musste er unter die Leute. Außerdem wusste er, Klatsch und Neuigkeiten wurden am zuverlässigsten durch die Handwerker und einfachen Bürger einer Stadt verbreitet, besonders, wenn die Kehle gut gespült war. Man ließ wie zufällig ein paar Bemerkungen fallen, und wenn man gut zuhörte, war man stets bestens unterrichtet. Reiche Kaufleute oder gar Männer aus Klerus und Adel traf man in der Zwarte Gans nicht an, ebenso wenig einfache Seeleute und Hafenarbeiter. Wollte man die einen treffen, ging man in die Ratsstuben, die anderen hingegen saßen in den Kaschemmen in der Nähe der Kais. Die Zwarte Gans lag passenderweise in jeder Hinsicht dazwischen.
    Gerade hatte der Kapitän ein üppiges Abendmahl zu sich genommen und lehnte entspannt in der Nische neben der Treppe. Der Schankbursche brachte einen Krug Bier. Miguel wartete. Medern müsste jetzt bald auftauchen, das Abendläuten war schon vor einer Weile verklungen. Der Lärm ringsum war ihm nur recht, so würde niemand belauschen können, was er mit dem Kontoristen zu bereden hatte.
    Soeben betrat Pireiho, der Navigator, die Schankstube. Er klopfte sich die Nässe des Nieselregens, der seit ihrer Ankunft ständig herniederging, von seinem Umhang und blickte suchend umher. Als er Miguels ansichtig wurde, kam er näher.
    » Senhor Capitão!« Er grüßte und setzte sich. » Habt Ihr wohl einen Schluck für mich übrig?« Damit deutete er auf Miguels Bierkrug.
    » Bedient Euch.« Er schob ihm Becher und Krug hinüber. » Was führt Euch her? Gibt es was Neues?« Miguel sprach so leise wie möglich.
    » Der Seekranke kommt nicht. Er will Euch um Mitternacht an Bord treffen, soll ich ausrichten. Es sei wichtig.« Er hob den Becher in Miguels Richtung. » Auf Euer Wohl, Capitão«, sagte er und leerte den Becher.
    » Warum kommt er denn nicht?«
    Pireiho zuckte mit den Schultern. » Hat er nicht gesagt. Capitão, benötigt Ihr vielleicht Hilfe? Sollen wir jemanden kreuzlahm schlagen, ins Hafenwasser schmeißen?« Er blickte auf seine breiten Hände.
    » Wir werden sehen, aber danke.« Miguel packte den Bierkrug. » Und nun macht, dass Ihr verschwindet, oder kauft Euch selbst ein Bier.«
    In seinem ganzen Leben wäre Miguel nicht auf eine derartige Idee verfallen, nicht einmal in der allergrößten Not! » Was redet Ihr denn da? Flugschriften, Denunziationen, öffentliches Brandmarken? Das kitzelt ihn doch höchstens. Der schüttelt sich wie ein nasser Hund und geht ungerührt seiner Wege!«
    Medern jedoch war sich seiner Sache sicher. » Denkt Ihr! Doch so ein fliegendes Blatt ist viel mehr als bloß ein beschriebener Zettel. Es ist ein scharfes Schwert. Damit zeigen wir aller Welt, was für ein gemeiner und gieriger Verbrecher er in Wahrheit ist.«
    » Erklärt mir noch einmal, wie das vor sich gehen soll. Bedenkt, noch habt Ihr meine Einwilligung nicht in der Tasche.«
    » Ich kenne die Antwerpener«, begann Medern. » Bei denen bestimmen die Dukaten, woher der Wind weht. Nach außen hin werden zwar Aufrichtigkeit, christliche Nächstenliebe, Edelmut, Sittsamkeit und alle sonstigen Tugenden, die Ihr Euch nur denken könnt, hochgehalten. Ehre und Ansehen gelten als höchstes Gut.« Medern zog eine spöttische Grimasse. » In Wahrheit jedoch geben sich die meisten mit dem bloßen Anschein von Wohlanständigkeit zufrieden. Wichtig ist allein die Fassade! Solange die erhalten bleibt, ist alles gut.«
    Unwillig zuckte Miguel mit den Schultern. So war es doch überall, der schöne Schein hatte nur selten etwas mit der Wirklichkeit gemein. Er stand mit dem Rücken zum Tisch und starrte durch das kleine Fenster der Kajüte auf die Stadtsilhouette. Beschuldigungen auf Papier? Sein Weg war das wahrhaftig nicht.
    » Was aber geschieht«, fuhr der kleine Kontorist eifrig fort, » wenn diese Fassade einstürzt? Wenn jemand einem dieser angesehenen Bürger einen Schlag versetzt, mit Anschuldigungen, die er beweisen kann? Ich sage es Euch: Diesem Mann fällt nicht nur die Fassade zusammen, dem bricht dazu das ganze Fundament weg. Der steht am Pranger, und niemand wird es wagen, sich zu seinem Fürsprecher aufzuschwingen. In Antwerpen ist so jemand fertig, unweigerlich. Den Rest erledigen die Büttel, und zwar im Handumdrehen!« Medern triumphierte.
    Miguel war sich jedoch nach wie vor unsicher. Sollte so seine Rache aussehen, fragte er sich? Würde er sich damit zufriedengeben können, Cohn am Pranger zu sehen, damit ihn die Leute mit

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