Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
tauchte die Stadtmauer von Taroudant auf. Auf Saïd wirkte sie wie immer uneinnehmbar. Ein blasser Schein färbte den östlichen Himmel, und gleich darauf breiteten sich die Rufe der Muezzine über der Stadt aus. Saïd öffnete die Hände und sprach ein kurzes Gebet, bevor er die Stadt betrat. Er würde zu den Ersten gehören, die vor den Sultan traten.
Im Hof des Palastes herrschte lebhafter Betrieb, als stünde ein Aufbruch bevor. Pferde wurden getränkt und gesattelt, Karren voller Ausrüstung herbeigeschafft, jemand schleppte Waffen heran, und einige Soldaten nahmen Aufstellung. Bewaffnete Wachen sicherten den Zugang zum Inneren des Palastes. Sie musterten, befragten und durchsuchten ihn und nahmen seine Messer und den Säbel an sich, bevor sie ihn passieren ließen.
Ein Hofbeamter in schlichtem Gewand begrüßte ihn in der Halle. » As salâm u aleikum, sei willkommen, Sheïk Saïd. Du triffst zu einer ungewöhnlichen Stunde ein. Es ist wohl eilig?«, erkundigte er sich. » Der Sultan hat eigentlich … Nun, er hat Gäste zum Morgenmahl.«
Saïd nickte. Der Ritt, das Durcheinander im Hof, die Durchsuchung durch die Wachen – seine Geduld war aufgebraucht. » Du sagst es, mein Freund, sehr eilig. Nicht ohne Grund bin ich ohne Unterbrechung in einem Stück aus Sijilmassa hierher geritten. Geh also und melde mich dem Sultan, auf der Stelle.« Der Beamte lief ein paar Stufen hinauf zu einer Tür und verschwand. Es dauerte nur einen Augenblick, dann öffnete sich die Tür erneut, und der Mann winkte ihm einzutreten.
Durch einen Vorraum betrat er den weiten Audienzsaal. Mosaikverzierte Säulen, Teppiche, Gläser und Räuchergefäße nahm Saïd nur flüchtig wahr, ebenso die Männer, die in der Nähe des Sultans und entlang der Wände auf Polstern saßen und miteinander sprachen. Die Mehrzahl von ihnen waren Soldaten oder militärische Berater, wie er aus den Augenwinkeln feststellte, und einige von ihnen kannte er, darunter Sheïk Abdallah, den ältesten Sohn des Sultans. Saïd jedoch kümmerte sich weder um diesen noch um die anderen Gäste, sondern schritt durch den Saal auf den Mann in der Mitte zu.
Der Sultan trug einen einfachen dunklen Umhang, und lediglich das leicht erhöhte Sitzpolster deutete auf seine herausgehobene Stellung unter den Anwesenden hin.
» As salâm u aleikum. Verzeih die Störung, mein Sultan.« Saïd neigte den Kopf und legte die Hand auf sein Herz, bevor er das Knie beugte. Der Sultan reichte ihm die Hand, die Saïd küsste und an seine Stirn führte. Nun lag baraka, Allahs Segen über ihrer Begegnung.
» Ein Aït el-Amin stört niemals. Wa aleikum as salâm, Sheïk Saïd. Komm hierher an meine Seite, dann reden wir.« Der Sultan klopfte auf ein Polster zu seiner Rechten.
Er war alt geworden, schoss es Saïd durch den Kopf, während er näher trat und sich auf dem angewiesenen Polster niederließ. Erst jetzt grüßte er mit einem Neigen des Kopfes die anderen Besucher im Raum. Abgesehen von Sheïk Abdallah, der unter seinem Umhang die Stiefel und Kleider eines Soldaten trug, erkannte Saïd zwei Sheïks aus den Bergen und zwei weitere aus der Gegend des Oued Draá. Neben ihnen, etwas abseits auf dem letzten Polster ihrer Reihe, saß ein alter Spanier oder Portugiese, der in dieser Runde seltsam verloren wirkte.
» Ich denke, wir sollten besser gleich einen Schreiber hinzuziehen, nicht wahr? Denn ein reiner Höflichkeitsbesuch wird dein Kommen ja wohl leider nicht sein.«
» Ouacha, wie du sagst, leider nicht. Ich bin gekommen, um vor dir Klage zu erheben gegen den amghar von Sijilmassa.«
» Oh Allah, so etwas in der Art hatte ich befürchtet. Schreiber, bist du bereit? Also, Saïd Aït el-Amin, sprich. Was wirfst du deinem Bruder vor?«
» Verschiedenes, mein Sultan, und es handelt sich um schwerwiegende Beschuldigungen. Unter anderem laste ich ihm den Giftmord an der Frau meines Bruders Brahim an, Allah sei ihrer beider Seelen gnädig. Doch davon später. Zuallererst muss ich ihn des Verrats anklagen, was mir im Herzen wehtut.«
Saïd sprang auf, es hielt ihn nicht auf dem Polster. Während er vor dem Sultan auf- und abging, fuhr er fort: » Er hat ohne Rücksprache und ohne Auftrag der Ältesten einseitig den Vertrag mit dir gebrochen und sich stattdessen dem Sultan in Féz angeschlossen. Mit Hilfe eines Imams von dort hat er Janitscharen und andere osmanische Soldaten ins Tafilalt geholt und bereitet nun deren endgültige Übernahme von Sijilmassa vor. Wir haben Arkebusen
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