Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
dachte der Kapitän, Zeit, sich für das Treffen mit der kleinen Álvarez fertig zu machen.
Angewidert ließ er den Blick über den Tisch gleiten. Die Purpurfärberin hatte ihm zwar ein Abendessen serviert, dennoch hatte er sich in der Nacht von seinem Koch noch ein Safranhühnchen zubereiten lassen, das er mit reichlich Wein hinuntergespült hatte. Jetzt lagen überall die Reste herum, besudelte Teller und abgenagte Knochen, das Tischtuch war mit Wein bekleckert, und dazwischen die Karten … Sehr unappetitlich. Doch wenigstens ließ sein Kopfweh allmählich nach.
Der Spiegel in seiner Kajüte zeigte ihm das erfreuliche Bild eines muskulösen jungen Mannes in tadellos sitzender Uniform mit goldbesticktem Rock und engen Beinkleidern, die seine Waden zur Geltung brachten. Capello straffte die Schultern und brachte die Ärmel in Form. Er liebte es, sich elegant und männlich zugleich zu kleiden, und pflegte die Uniform der Kriegsflotte, obwohl er sie nur noch außerhalb Venedigs zu tragen wagte.
Manchmal weitete der venezianische Rat der Zehn den Begriff » staatsgefährdende Handlung« wirklich bis ins Unerträgliche aus! Dabei sollten sie eigentlich die Wohlfahrt des Staates sichern, sollten Hochverrat, Verschwörung und Spionage verhindern und die Ausländer in Venedig, insbesondere die Botschafter fremder Staaten, überwachen. Wozu kümmerten sie sich um Bagatellen wie die kleinen Vorteilsnahmen von Holzhändlern, wen scherte das denn? Alle taten so etwas. Staatsgefährdend? Dass er nicht lachte. Selbst wenn die istrischen Berge nur noch wenig brauchbares Holz für den Schiffsbau liefern konnten, es gab doch weiter östlich weiß Gott noch genügend Wälder. Aber nein, ausgerechnet an ihm glaubten sie ein Exempel statuieren zu müssen. Wieder schob er das Kinn vor. Entzug der Holzprivilegien, dem Kerngeschäft seiner Familie, und unehrenhafter Ausschluss aus der Kriegsflotte, das waren wirklich überzogene Maßnahmen. Dabei war ihm der Doge nach wie vor wohlgesinnt und hatte, auch um seines Vaters willen, die Sache lange Zeit unter Verschluss gehalten. Aber kein Doge verfügte über wirkliche Autorität, er war von seinen Räten und Ministern abhängig und hatte lediglich eingeschränkte Macht.
Natürlich war es ein gottverdammtes Pech, aber – bei allen Heiligen – wie hätte er sonst die drängendsten Schulden seines Vaters und die eigenen Verluste ausgleichen sollen? Mit Spielschulden war nicht zu spaßen, schon gar nicht, wenn der Gläubiger Loredan hieß. Aber auch die bevorstehende Verbindung mit dem Haus Contarini ließ ihm keine andere Wahl. Raffiniert, wie er war, hatte sein Onkel diese Verlobung eingefädelt, und auch sonst gab er sich redlich Mühe, das Ansehen der Capellos wiederherzustellen. Sicher, mit einer solchen Heirat konnte er sich dauerhaft sanieren, aber wäre es nicht einfacher gewesen, der Onkel hätte ihm einfach eine gefüllte Schatulle rübergeschoben? Eines Tages würde er sowieso alles erben, da der Bucklige nie geheiratet hatte und ohne eigene Nachkommen sterben würde. Die Gedankengänge des Onkels waren oft genauso krumm wie sein Rücken.
Das mit dem Holz hatte nicht so geklappt wie geplant, aber dafür hatte er jetzt ein neues Eisen im Feuer. Wenn ihn nicht alles täuschte, hatte er schon bald wieder Oberwasser. Bis dahin aber musste er eine gute Figur abgeben, nicht zuletzt weil seine Angelo San Marco beinahe nur noch von Farben und Lacken zusammengehalten wurde.
Unterhalb der Wasserlinie verrottete das Holz, Bohrwürmer fraßen sich munter durch die Planken, und sein schönes Schiff zerfiel ihm unter den Füßen. Was für eine Schande! Für eine solide Instandsetzung fehlte ihm das Geld, und Kredite bekam er keine mehr, nicht einmal von dem jüdischen Bankier der Familie. Es war ihm schlicht nichts anderes übrig geblieben, als minderes Holz so teuer wie möglich zu verkaufen.
Genau genommen stand den Capellos das Wasser schon lange bis zum Hals. Der Palazzo verkam, weil das Dach undicht war, und bis auf drei Räume waren die Zimmer nicht mehr bewohnbar. Auch die Gondel war längst abgeschafft, und lediglich eine alte Dienerin, die schon seit Jahrzehnten zur Familie gehörte, versorgte jetzt mehr schlecht als recht das Haus und seinen kranken Vater. Im Grunde konnte er froh sein, nicht auch noch zu einer Geldstrafe verurteilt worden zu sein. Das wenigstens hatte der Doge für ihn erreichen können. Sollte er den Spitzel, der ihn verpfiffen hatte, je zu fassen kriegen,
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