Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
türkisches Kriegsschiff oder Betrug – er wusste es vor allen anderen. Instinkt nannten es die einen, Zufall, meinten abschätzig die Neider. Und die gab es reichlich: Bei Agenten und Schiffsausrüstern war er wegen seiner Genauigkeit gefürchtet, ebenso bei venezianischen Schöngeistern und adeligen Großkaufleuten, die vor allem ihren Luxus und erst in zweiter Linie ihr Geschäft im Sinn hatten. Seine Gründlichkeit brachte ihm nicht viele Freunde ein in einer Stadt, die der leichten Lebensweise huldigte und sich dem Genuss verschrieben hatte. Zudem verlangte er einen höheren Eigenanteil am Erlös der Waren als andere Kapitäne. Doch die aufstrebenden Handwerker und die bedächtigeren unter den venezianischen Kaufherren rissen sich um ihn als Kapitän ihrer kostbaren Ladungen, in denen jedes Mal ein Gutteil ihres Vermögens steckte. Sie vertrauten ihm, seiner Erfahrung und seinem Gespür nahezu uneingeschränkt. Dieser Sinn hatte ihn auch die Vorbehalte seiner Männer gegen die Anwesenheit der beiden jungen Frauen an Bord beiseiteschieben lassen. Pacelli sah zu ihnen hinüber, wie sie vom Heck aus einen letzten Blick auf die afrikanische Küste warfen.
Plötzlich hatten sie in Wahran am Kai gestanden, mitten im Gedränge der Bootsleute, Wasserträger und Fischhändler, eskortiert von einem abenteuerlich aussehenden Karawanenmann, und wollten mitreisen. Die junge Frau stammte zwar aus gutem Hause, reiste aber mit nur einer Dienerin, einer jungen Berberin. Diese Tatsache und ihr mehr als mageres Gepäck machten ihn sofort stutzig. Und dann behauptete sie, dringend nach Venedig reisen zu müssen, weil eine Tante erkrankt sei, jemand aus der Familie Capello, und sie solle nach dem Rechten sehen und ihr Gesellschaft leisten . Pacellis Nase zuckte.
Diese Geschichte konnte sie jemandem auftischen, der nichts als seinen eigenen Hinterhof kannte. Eine Tante der Capellos? Das wüsste er, wenn die beiden Alten, Tommaso und Andrea, eine Schwester hätten! Eine faustdicke Lüge also, doch warum? Es musste etwas dahinterstecken. Nun ja, man würde sehen.
Irgendwie hatten ihn die beiden jungen Frauen vom ersten Augenblick an gerührt, besonders die Herrin, die sich den Anschein von Weltläufigkeit gab, obwohl ihre Augen eine andere Sprache sprachen. Verzweiflung, Not und Angst, aber auch so etwas wie Sturheit las er darin. Immerhin, die Passage hatten sie in guten Golddukaten bezahlt. Außerdem war eines sonnenklar: In Wahran konnte er sie nicht stehen lassen, diese Stadt an der Barbareskenküste war für jemanden wie Signorina Sarah viel zu gefährlich.
Er hingegen machte dort, wie an der gesamten afrikanischen Mittelmeerküste, ausgezeichnete Geschäfte. Dieses Mal bestand seine Ladung vor allem aus Salz, das die Venezianer und ihre Werkstätten, so wollte es ihm scheinen, im Übermaß benötigten. Außerdem hatte er bereits im vorigen Hafen von Melilla Gold aus den unbekannten afrikanischen Fürstentümern jenseits der Sahara an Bord genommen – im Austausch gegen etliche Barren Silber. Hier in Wahran hatte er Ebenholz erworben und andere edle Hölzer, auf die vor allem die Baumeister und Schiffszimmerer des Arsenals warteten. Davon erhoffte er sich einen besonders hübschen Gewinn. Außerdem durfte er auch von dieser Route natürlich nicht ohne Gummiarabikum vom Senegalfluss für die Glasbläser von Murano, ohne die berauschenden Nüsse des Kolabaumes oder ohne Amber, Korallen, Türkise und Elfenbein und keinesfalls ohne Straußenfedern für die edlen Damen der Stadt heimkehren. Grazie a Dio hatte er sich entlang der Küste bereits reichlich mit solchen Schätzen aus den Ländern jenseits der Wüste eindecken können, seine Laderäume waren gut gefüllt.
Der Wind stand günstig, und Pacelli gab das Zeichen. Auf nach Venedig, dachte er. Unterwegs ergab sich sicher ausreichend Gelegenheit, den Geheimnissen seiner Passagiere auf die Spur zu kommen.
*
Kapitän Pacelli machte einen vertrauenswürdigen Eindruck, dennoch hatte Sarah ihm weder ihren richtigen Namen noch etwas über ihre Herkunft verraten. Womöglich kannte er ihren Vater? Wenn vielleicht auch nicht persönlich, so hatte er unter Umständen von ihm gehört, bei Kapitänen war das nicht ungewöhnlich. Also hatte sie ihm – mit schlechtem Gewissen! – eine wilde Lügengeschichte aufgetischt.
Er schien aufrichtig um ihr Wohlergehen besorgt zu sein und hatte ihnen die – nach seiner eigenen – geräumigste Kajüte an Bord zugewiesen und die beiden Kojen
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