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Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Titel: Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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» Ich danke dir. Eine Last fällt von mir.«
    Eine plötzliche Niedergeschlagenheit raubte ihr fast die Kräfte. Saïd würde sie führen, und dafür war sie dankbar. Doch zugleich fühlte sie sich von ihm zurückgestoßen. Er bot ihr Schutz, entzog ihr jedoch seine Freundschaft. Sie seufzte. Ein Kind. Es war die Wahrheit, sie trug ein Kind, und doch empfand sie nichts. Außerdem konnte sie sich seit gestern nicht mehr richtig an Marinos Gesicht erinnern, es schien wie im Nebel verschwunden. Tränen brannten in ihren Augen.
    » Nicht der Rede wert.« Saïds Stimme klang belegt.
    Das stimmte nicht, ganz und gar nicht, natürlich war es der Rede wert. Aber irgendwie musste er sich diese Frau aus dem Kopf schlagen. »›Männer und Frauen gehören zusammen wie die Flügel eines Vogels. Mit nur einem Flügel kann kein Vogel fliegen …‹« Wo nur hatte er diese Worte gehört? Laut sagte er: » Du solltest aufsitzen. Wir müssen weiter.« Damit schwang sich Saïd in den Sattel und gab das Zeichen zum Aufbruch.

19
    Gezeichnet von den Anstrengungen der letzten Wochen, stand Sarah im Heck der San Pietro e Paolo, die sie nach Venedig bringen würde, und sah zurück auf den Hafen von Wahran.
    Von Saïd war keine Spur mehr zu entdecken. Vermutlich hatte er der Stadt den Rücken gekehrt, sobald sie an Bord gegangen war. Die letzten beiden Wochen, die sie zu dritt durchs Land gezogen waren und Dinge wie Holzsammeln, Feuermachen, Kochen und Brotbacken gemeinsam erledigt hatten, waren von Schweigen und ungesagten Worten geprägt gewesen. Saïd hatte sie beschützt, hatte ihren Schlaf bewacht und für sie gesorgt, wie er es versprochen hatte, im Übrigen aber war er ihr aus dem Weg gegangen.
    Als die Stadt Wahran in Sicht kam, hatten sie eine letzte Rast eingelegt. Sie saßen ab, und Saïd reichte ihr Datteln und Wasser. Sie schwiegen. Unterwegs hatte sie ein paarmal den Versuch unternommen, ihm zu erklären, was für sie auf dem Spiel stand. Sie hatte von den Eltern gesprochen, von deren Vorstellungen und sogar von ihren eigenen Träumen. Saïd hatte zugehört, seine Zurückhaltung aber nicht aufgegeben. Ihr Herz war schwer, aber was gab es nun noch zu sagen?
    Dann hatte er sie bergab in die Stadt und zum Hafen geleitet.
    Ein letztes Mal suchten jetzt ihre Augen das Hafengelände ab. Lastenträger und Hafenarbeiter bevölkerten Anleger und Gebäude, doch Saïd war tatsächlich nicht unter ihnen. Noch einmal seufzte sie. Dann wandte sie sich um, ging über das Schiffsdeck nach vorn und blickte auf die kaum sichtbare Horizontlinie zwischen Wasser und Himmel, wo irgendwann Venedig auftauchen würde. Jetzt dauerte es nicht mehr lange, dann waren Marino und sie vereint, und alles war gut. Unwillkürlich legte sie die Hand schützend auf ihren Leib.
    Die Segel füllten sich, der Bug richtete sich aus, und das Schiff nahm Fahrt auf. Immer noch befand sie sich auf ihrem Kurs, Nordnordost. Trotz aller Mühen, trotz Überfall, Durst, Hitze und was sich ihr sonst noch in den Weg gestellt hatte: Diesen Kurs hatte sie nie verlassen.
    Sie warf den Kopf in den Nacken.
    Die Entfernung zum Land vergrößerte sich zusehends.
    *
    Der Abstand zwischen Schiff und Kai wurde größer. Nordnordost, hatte sie immer wieder gesagt, wenn er anhand der Sterne ihre Reiseroute überprüfte, Nordnordost, dorthin müsse sie gehen, und dann weiter, übers Meer.
    Reglos stand Saïd im lichten Schatten der einzigen Tamariske auf dem Hügel über den Häusern von Wahran. Kein Laut drang von der Stadt zu ihm herauf, stattdessen war die Luft erfüllt vom Summen der Bienen und dem Duft wilder Kräuter, die die Hänge bedeckten. Er verschmolz mit dem Stamm des Baums, während er das Auslaufen der San Pietro e Paolo beobachtete. Der Anblick schmerzte, doch er wusste, erst wenn das Schiff hinter dem Horizont verschwand, konnte er seinen Blick abwenden.
    Ihretwegen hatte er Familienpflichten vernachlässigt, hatte sogar seine eigene Schwester dem Schutz von Männern, die nicht zur Familie gehörten, anvertraut. Natürlich waren ihm aus dem Gastrecht Verpflichtungen entstanden, aber mit dieser Aufgabe hätte er ebenso gut Abdallah betrauen können. Unterwegs hatte sie mehrmals über ihr Zuhause gesprochen, über ihren Vater, ihre Mutter, ihre Freundinnen. Auch von dem Mann hatte sie erzählt, allerdings nur knapp. Ein Kapitän war er, dieser Marino, ein Mann der See wie ihr Vater. Warum sich aber die Eltern gegen diese Verbindung stellten, hatte sie nicht erklärt. Und er

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