Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
und zugleich wachsam die vielen Menschen musterte, die seine Ankunft beobachteten, standen sie einander plötzlich gegenüber. Während sich seine Augen vor Überraschung weiteten, senkte Sarah verwirrt den Blick. Ihr Herz klopfte, als sei sie gerannt, und sie zitterte plötzlich so heftig, dass ihr der Beutel aus der Hand glitt. In der Eile hatte sie ihn offenbar nachlässig geschlossen, denn einige der kostbaren bunten millefiori kullerten heraus und rollten und sprangen über das Pflaster.
Geistesgegenwärtig bückte sich der Kapitän und hatte die Perlen eingesammelt, noch bevor sich Sarah von ihrer Verwirrung erholt hatte. Erst als er den Hut zog und sich tief vor ihr verneigte, konnte sie sich wieder regen.
» Signorina, Ihr wolltet diese zarten Glasblumen doch sicher nicht ausgerechnet hier aussäen, zu Füßen grober Seemannsstiefel, wo sie zermalmt werden könnten? Das wäre sehr schade, meint Ihr nicht auch? Nehmt Eure Schätze lieber wieder in Eure Obhut.«
Sein Lächeln war freundlich und seine Stimme dunkel und warm. Die braunen Augen mit den langen Wimpern strahlten immer intensiver, je länger er die junge Frau ansah.
Sarah gelang es gerade noch, die Hand auszustrecken, zu sprechen aber war ihr unmöglich. Sie spürte, wie sie abwechselnd errötete und wieder erblasste und wie ihr Herz raste. Sie konnte das Klopfen buchstäblich hören. Eine angemessene Entgegnung wollte ihr nicht einfallen.
Einen Augenblick schien sich der Kapitän an ihrer Konfusion zu weiden. Schließlich aber übergab er ihr die Perlen und wandte sich mit einer angedeuteten Verbeugung ab. Erneut drückte er den Hut auf sein schwarzes Haar und machte sich auf den Weg zur Festung. Wie selbstverständlich öffnete sich in der Menge eine Gasse, die sich hinter ihm gleich wieder schloss.
Erst jetzt fiel die Erstarrung von Sarah ab. Auf einmal vernahm sie das Gemurmel der Leute, hörte die Schreie der Möwen und die Brandung des Meeres. Unsicher sah sie sich um. Die Menschen zerstreuten sich bereits, nur ein paar Alte versammelten sich im Windschatten eines halb im Sand vergrabenen Felsens, um in aller Ruhe die Ankunft des fremden Schiffes durchzusprechen und das weitere Geschehen abzuwarten.
Zögernd setzte Sarah einen Schritt vor den anderen.
Was war eben mit ihr geschehen? Wieso hatte sie dem Kapitän nicht antworten können? Ihr fehlte es doch sonst nicht an Schlagfertigkeit. Nicht einmal bedankt hatte sie sich! Erneut schoss ihr das Blut ins Gesicht.
Sarah raffte ihre Röcke und rannte so schnell sie konnte zur Teppichmanufaktur. Sie riss die Tür auf, hastete durch den Raum, und ohne wie sonst einige Worte mit den Arbeiterinnen an den Knüpfrahmen zu wechseln, stürmte sie die Treppe zum Turm hoch und schlug die Tür hinter sich zu. Erst als sie das beruhigend feste Holz am Rücken spürte, öffnete sie ihre Hand und richtete den Blick auf die bunten Perlen, die sie immer noch umklammert hielt.
2
Sarah sah hinüber zur Festung. Der Kapitän war noch nicht wieder erschienen. Draußen in der Bucht wiegte sich die schimmernde Karavelle, während das Ruderboot am Strand lag. Im Hafen war es ruhig. Nur ihr Herz schlug immer noch, als sei sie zu schnell gelaufen.
Gleich morgen würde sie mit Naima und Kadima sprechen.
Die Freundinnen genossen diese gemeinsamen Wochen, in denen Sarah zu Besuch in der Stadt weilte und in denen sie albern und lachen konnten wie damals, als sie noch Kinder waren. Manchmal sprachen sie miteinander über ihre Träume, ihre Sehnsüchte oder über den Mann, den sie eines Tages heiraten würden. Die Zukunft der beiden Freundinnen lag klar vor ihnen, sie wussten, was auf sie wartete. Nicht so Sarah.
Obwohl Sarah in dieser Runde die Älteste war und obwohl ihr Vater immer wieder scherzhaft davon sprach, schon bald einen schönen Fisch für sie an Land ziehen zu wollen, hatte sie weder einen Bräutigam noch eine konkrete Vorstellung von ihrem späteren Leben. Während Naima und Kadima bereits von Kindern sprachen, von künftigen Aufgaben und Bestimmungen, als wüssten sie genau, was sie erwartete, vergingen Sarahs Tage immer noch in planloser Unbestimmtheit. Einerseits war ihr das durchaus recht, denn was gab es Schöneres, als unbekümmert und frei durchs Leben zu gehen? Andererseits spürte sie vage, dass irgendetwas Wesentliches in ihrem Dasein fehlte. Naima lästerte gelegentlich, dass sie sich unter die Fürsorge ihrer Eltern flüchtete wie ein Küken unter die Glucke.
Daran war durchaus etwas
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