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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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suchst doch Claire? Claire O’Neill?«
    »Claire«, wisperte Coinneach. Mit seinen langen, schlanken Fingern fasste er sich an den Hals. Ken wusste, wonach er tastete. Das Medaillon.
    »Ich kann dich zu ihr bringen.« Das war eine kühne These, aber wenn er den Kerl mit sich zurück in die Festung lockte, würde Santino ihn wohl kaum über die Brüstung werfen. Dann würden sie ihn mit hinüber nehmen ins richtige Detroit. »Komm mit, dann bringe ich dich zu ihr.«
    Ob er Mom damit einen Gefallen tat, stand auf einem anderen Blatt. Vielleicht hatten sie sich gestritten, sie hatte ihn rausgeworfen. Wer wusste das schon? Und jetzt hatte er zu allem Übel auch noch den Verstand verloren.
    Aber ein Stimmchen in Kens Hinterkopf zirpte, dass es so einfach nicht war. Moms Anfälle und Coinneachs Geisteskrankheit und diese Apfelbäume, das hing alles miteinander zusammen. Vermutlich wusste der Buchstabensammler sogar, was da im Argen lag, aber der hatte ja Wichtigeres im Bad zu tun, als seine kryptischen Andeutungen zu erklären.
    Coinneach legte den Kopf zur Seite. »Iss den Apfel«, sagte er. »Der ist gut.«
    Iss den Apfel??
    Ken roch daran. Was würde passieren, wenn er reinbiss? War das etwa wieder ein Schlüssel? Beiß in den Apfel und besiegle den Pakt? Unschlüssig schob er die freie Hand in die Tasche und wühlte sich durch den Krimskrams. Er ertastete etwas Hartes, mit spitzen Ecken. Moms Gothic-Drachenschlange für zwölf Dollar neunundneunzig. Er zog sie heraus und hielt sie Coinneach entgegen. »Klingelt da was bei dir?«
    Eine Falte erschien zwischen Coinneachs Brauen und er fing nicht wieder zu summen an. Wenn das nicht ein gutes Zeichen war!
    »Wo ist sie?«, fragte der Fayeí.
    Ken deutete in die Richtung des Depots. Die Baumkronen versperrten den Blick aufs Roosevelt Warehouse. »Hast du die schwebende Festung da drüben gesehen, über der Kluft? Die von ungefähr fünfzig Spalthunden belagert wird? Da müssen wir hin.«
    »Aber dort ist sie nicht.«
    »Der Buchstabensammler öffnet uns ein Portal«, sagte Ken mit wachsender Ungeduld, »und auf der anderen Seite ist Claire. Wenn du hierbleibst, gehst du zusammen mit dieser Welt unter. Also was ist nun? Kommst du mit oder nicht?«
    Und diese Vater-Sohn-Geschichte, die konnten sie später klären. Wenn sie nicht mehr Gefahr liefen, jeden Moment von blutrünstigen Bestien gefressen zu werden.
    Coinneach sah ihn nur an, die Augen voller Zweifel.
    »Hier, schenke ich dir.« Ken warf ihm die Drachenschlange zu.
    Der Fayeí fing sie nicht, sondern sah zu, wie sie vor seinen Füßen ins Gras fiel.
    »Hör zu. Ich muss kurz was holen und bin gleich wieder da, und bis dahin kannst du dir ja überlegen, ob du Claire wiedersehen willst oder nicht.« So langsam verdrängte Groll die Enttäuschung in Kens Brust. Der Kerl nervte ihn. Er fand Moms Haarspange in der Tasche, sein letzter Versuch, und hielt sie Coinneach unter die Nase. »Hier, das ist von ihr, wenn du es mir nicht glaubst.«
    Coinneachs Bewegung war so schnell, dass Ken den Ansatz nicht sah. Die Hand zuckte vor und riss ihm den Haarschmuck aus den Fingern, sodass seine Haut schmerzte, wo das Blech hängengeblieben war.
    »Aua!«, protestierte er. »Was soll der Scheiß?«
    Coinneach umklammerte das Ding, als wäre es der heilige Gral. Über sein Gesicht zuckte ein Gewitter von Emotionen. Trauer, ein plötzlicher Schrecken, Entsetzen, nur um wieder in diese frustrierende Leere zurückzusinken. Er wich drei Schritte zurück und summte seine verfluchte Melodie. Ken war nicht sicher, ob er brüllen oder in Tränen ausbrechen sollte.
    Das
war die Alternative zu Randall dem Säufer O’Neill? Ein geistesgestörter Elfenprinz mit Engelsgesicht, der nicht drei zusammenhängende Worte aneinanderreihen konnte?
    »Hast du gehört?«, sagte er, ohne Hoffnung, dass Coinneach ihn verstand. »Ich bin kurz weg und komme gleich wieder, und dann schleichen wir uns zurück zur schwebenden Festung.«
    Coinneach summte sein Lied.

    »Hör auf, dich zu geißeln«, sagte Umo. »Der Imperator hätte so oder so von Níval erfahren. Und glaube mir, seine Wesire werfen schon länger begehrliche Blicke auf die Welten im Scharlachrot. Die Nebelsee-Welt ist nicht das einzige Juwel in dieser Dimension. Sie hätten auch ohne dich versucht, einen Riss ins Gewebe zu treiben, der breit genug ist, dass ihre Legionen hindurchmarschieren können.«
    Seite an Seite wanderten sie zurück zu den Treppen. Sie blieben stehen, als gelblich grünes

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