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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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zurückkehrte, würden sie dann kostbare Zeit damit verschwenden, die Festung nach ihm abzusuchen? Oh, verflucht, aber er würde zurückkommen. Er hatte das hier nicht als Selbstmordkommando geplant.
    Er musste doch Mom von Coinneach erzählen. Und Santino in diese Nebelsee-Sphäre begleiten, um ein richtiger Magier zu werden. Dann konnte er sein Kunststück mit den Blumen wiederholen und vom Erlös der Blüten ein Haus für Mom und Marty, den kleinen Idioten kaufen, an einem Ort weit außerhalb der Reichweite von Randall O’Neill. Und Pat, den sperrten sie hoffentlich hinter Gitter, da konnte er bleiben, bis er schwarz wurde. Vor allem musste er sich etwas mit Marielle überlegen. In seinem Bauch tanzte ein Schwarm fliegender Fische Wasserballett, sobald er nur an sie dachte. Sie war ein Wunder, eine Offenbarung und überhaupt das Beste, was ihm in seinem ganzen Leben über den Weg gelaufen war. Wie konnte er da einfach nur mit den Schultern zucken, angesichts ihrer grässlichen Zwangsheiratspläne einen Schritt zurücktreten und es hinnehmen, dass er sie wieder verlieren würde?
    Nein, Santino hatte recht. Wenn man etwas wollte, musste man dafür kämpfen und manchmal ein Risiko eingehen. Und kämpfen wollte er. Doch zuerst musste er diese Sache mit Coinneach erledigen, damit sie ihn nicht quälte und von Marielle und den Planungen für sein neues Leben ablenkte.
    Das zweite Kabel schien zu halten. Die Ummantelung bestand aus einem gummiartigen Kunststoff, der den Sohlen seiner Boots guten Halt bot. Nur wenige Stellen waren von Feuchtigkeit glitschig geworden. Hand über Hand ließ er sich hinab. Im Moment, da er auf Augenhöhe mit den Spalthunden schwebte, geriet sein Herzschlag dann doch ins Stolpern. Die Untiere schnappten nach ihm und bellten, doch keines von ihnen wagte einen Sprung. Die Entfernung war zu weit.
    Er hangelte sich tiefer hinab, immer tiefer. Unter ihm verglommen die Lavabröckchen auf dem schwarzen Gestein. Die Hunde verschwanden aus seinem Gesichtsfeld, und nach einigen Minuten hatte er den Eindruck, dass auch sie von ihm abließen und ihre Aufmerksamkeit anderen Dingen zuwandten. Seine Handflächen schwitzten. Nun begann das Kabel allmählich doch zu rutschen. Seine Füße traten ins Leere. Ende des Abstiegs.
    Er starrte hinüber zum Vorsprung, der gut anderthalb Meter tiefer schwebte, und fast einen halben Meter versetzt. Ob nun wegen der Anstrengung oder seiner wachsenden Nervosität, ihm brach auch im Nacken und auf der Stirn der Schweiß aus. Er blinzelte ein paarmal, um das salzige Gefühl aus den Augen zu vertreiben.
    Der Sprung ließ sich schaffen. Die Frage war nur, ob ihm das auch in umgekehrter Richtung gelang. Was nutzte ihm sein Intermezzo mit Coinneach, wenn er hinterher in Dämmer-Detroit festsaß, bis entweder die Spalthunde ihn erwischten oder die Welt unter seinen Füßen auseinanderbrach? Er hatte vergessen zu fragen, was eigentlich genau geschah, bei so einem Weltuntergang. Löste sich alles in Luft auf? Oder explodierte Dämmer-Detroit und die Brocken schwebten anschließend im Nichts zwischen anderen Welten?
    Gott, es verrenkte ihm die Gehirnwindungen, darüber nachzudenken.
    Also gut.
    Er pendelte wie zuvor schon mit seinem Seil, aber nicht zu sehr, damit er nicht über sein Ziel hinausflog. Im richtigen Moment ließ er das Kabel los, stieß sich ab und prallte seitlich gegen die Felswand. Er rutschte ein Stück und tastete nach der Kante. Mit einem Ruck blieb er hängen. Gott sei Dank.
    Keuchend vor Schmerz und Erschöpfung kroch er ein Stück über den Stein. Er blieb liegen, schwer atmend, bis der eigene Herzschlag in seinen Ohren nicht mehr jedes andere Geräusch übertönte.
    Das Jaulen der Hunde klang merkwürdig gedämpft. Er warf einen Blick über die Schulter zurück zum Kabel. Das war eine verflucht weite Strecke. Ihm wurde jetzt schon mulmig, wenn er nur daran dachte. Egal. Darüber konnte er sich den Kopf zerbrechen, wenn er zurückkehrte.
    Der Vorsprung verjüngte sich zu einem Steg, breit genug, um darauf stehen zu können, und so lang, dass das Ende in der Dunkelheit verschwand. Von hier an war es ein Kinderspiel. Er musste nur die innere Wand der Schlucht entlangsteigen, bis er genug Abstand zwischen sich und die Hunde gebracht hatte. Wenn er vom Dach aus richtig gesehen hatte, schnitt die Kluft genau die Dalzelle Street, nur ein paar Blocks von seinem Haus entfernt.
    Er quälte sich auf die Füße und trat an die Wand, legte seine Handflächen gegen das

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