Purpurfalter
nicht wahr sein! Sie hatte soviel in der letzten Zeit durchgemacht – und verlor am Ende doch gegen die Vampire.
Tränenbäche liefen über ihre glühenden Wangen und sammelten sich in den Ohrmuscheln. Kaum wischte sie die Tränen fort, stieß ein zweiter Säbel durch den Deckel. Die Klinge blieb dort stecken, wo vorher noch Loreenas Fingernägel das Holz zerkratzt hatten. Loreena atmete schwer. Todeangst quälte sie. Sie ertrug die Enge nicht länger. Loreena wollte Amorgene in die Augen sehen, wenn sie schon sterben musste. Mit aller Kraft drückte sie gegen den Sargdeckel. Sie trat gegen die Wände, kratzte an der Unterseite und hämmerte gegen die Seiten. Wie eine Furie rollte sie sich hin und her und kreischte. Aber nichts geschah. Das Holz zerbrach nicht. Der Sarg fiel nicht vom Gestell. Loreena fügte sich lediglich Blutergüsse zu. Splitter schoben sich unter ihre Fingernägel.
Sie erschrak, als unerwartet der Deckel angehoben wurde. Eine große wächserne Hand streckte sich in das Innere des Sargs. Was für ein heimtückischer Plan war dies nun wieder? Loreena setzte sich - ohne die Hand zu ergreifen - aufrecht hin.
„Graf Schomul.“ Erstaunt riss sie die Augen auf. Müde sah das Oberhaupt Valkenhorsts aus, als hätte sich Graf Schomul gerade erst von seinem Nachtlager erhoben. Sein Blick war immer noch verklärt, jedoch schien sein Geist wacher zu sein.
„Steigt heraus.“ Seine Stimme klang dünn. „Dies geht zu weit.“
Ohne zu zögern ließ sie sich von ihm aus der Totenkiste helfen. Er reichte ihr die Hand und sie sprang über den Sargrand. Amorgene schäumte vor Wut. Der sonst so blasse Teint schimmerte rosafarben. Ihre Augen funkelten Loreena bösartig an. Einen der Säbel hielt sie vor ihren Oberkörper.
„Ihr, Graf Schomul, haltet mich davon ab, wie vereinbart einen Narren aus ihr zu machen?“ Sie deutete provozierend mit der Klinge auf Loreena.
Bevor er etwas erwidern konnte, ergriff Loreena das Wort. „Welch ein Unsinn!“ Noch immer hielt sie seine Hand und verstärkte ihren Griff. Sie deutete auf die unbeherrschten Gäste. „Seht die geifernden Gesichter. Hört das Gegröle. Selbst Klavorn liegt auf der Tafel und leckt Blutstropfen von der Holzplatte.“
Amorgene schnalzte. „Sie feiern zu Recht die Unterwerfung Ingrimms.“
Loreena klopfte auf Schomuls Schulter, sodass er sie verwirrt ansah. „Mustert mich von oben bis unten. Blut besudelt mein angesengtes Haar. Meine Kleidung ist zerrissen...“
„Eure Kleidung war schon vorher in unangebrachtem Zustand“, unterbrach die Vampirin sie.
Unbeirrt fuhr Loreena fort: „Mein Ansehen ist gesunken. Das ist es doch, was Ihr erreichen wolltet. Das ist es, was mich rettet.“
Amorgene drängte sich zwischen Loreena und den Grafen. „Seid kein Tor...“
„Schluss!“ Schomul baute sich drohend vor den Frauen auf. „Ich fühle mich kraftlos. Seit Jahren habe ich mich nicht schwach gefühlt. Etwas geht hier vor.“ Er rief einem betagten Diener mit schneeweißem Haar zu: „Blas die Kerzen aus. Öffne die Fenster.“ Dann wandte er sich wieder an die Frauen. „Lasset uns feiern. Eurer Darbietung schenkt eh niemand Beachtung.“
Amorgene blinzelte erbost, während Schomul Loreena zur Tafel von Wor und Lomas zog. Doch Loreena riss sich los. „Ich kann nicht bleiben. Habt Verständnis.“
Ohne auf seine Einwilligung zu warten lief sie zwischen den Tafeln hindurch. Ihr Blick streifte Bortlam, als sie durch die Tür eilte und die feiernde Gesellschaft verließ. Schwer atmend rannte sie den düsteren Gang entlang, der sie zum Ausgang führte, und stolperte die Stufen der Burg hinunter. Sie sprang in den Sattel des erstbesten Pferdes und galoppierte wie von Sinnen durch das Tor.
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Loreena gab ihrem Gaul die Sporen. Sie wollte nur weg, fort von diesem Ort des Schreckens. Nicht einmal einen Umhang hatte sie in der Eile angezogen. Nun schlotterte sie vor Kälte. Doch die Festivität auf der Wolfsburg war um einiges frostiger gewesen. Nie und nimmer hätte sie gedacht, dass ihr Vater sich derart schnell den Vampiren zuwenden würde. Wie alle war er charmant um Amorgene herumgetänzelt.
„Nicht einmal Lomas spuckte auf die reich gedeckte Tafel, um Graf Schomul seine Ablehnung zu zeigen“, blaffte Loreena gegen den pfeifenden Wind an.
Zitternd hielt sie die Zügel. Ihre Finger waren steif und ihre Kleidung klamm vor Kälte. Immer wieder schaute sie ängstlich zum Graupel Wald, der sich unweit von ihr finster erstreckte und die
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