Purpurfalter
des Ruten Hains schliefen. Eine gespenstische Stille umgab den Tross.
„Euch schmeckt ständig irgendetwas nicht. Immer und überall vermutet Ihr Unheil.“ Gleichgültig sah Schomul nach vorne. Er erinnerte sich an weit zurückliegende Tage in seinem Leben, an denen er bei dieser Dunkelheit nicht einmal seine eigene Hand vor den Augen gesehen hätte. Doch nun schenkte die Finsternis ihm Sicherheit.
Holbar gab nicht nach. „Es liegt ein seltsamer Geruch in der Luft.“
„Tiere?“ Ein Grinsen huschte über Schomuls Gesicht.
„Ich weiß es nicht.“
„Menschen?“
„Graf, ich kann es nicht sagen.“
„Abtrünnige Vampire?“
Holbar antwortete nicht und Schomul vermutete, dass der Leibwächter gekränkt war. Stolz lebten diese Kämpfernaturen ihr Leben. Befehle entgegenzunehmen waren sie gewohnt. Zu jeder Zeit würden sie ihren eigenen Körper vor das Oberhaupt Valkenhorsts werfen, um es zu schützen. Doch auf Hohn und Spott reagierten sie aggressiv.
Schomul hob die Hand und sofort hielt die sechsköpfige Delegation an. „Holbar, ich vertraue Eurem siebten Sinn. Untersucht den Waldabschnitt, der vor uns liegt. Erst dann reiten wir weiter.“
Ohne etwas zu erwidern ritt der Rotschopf erhobenen Hauptes voran. Obwohl seine Miene starr war, meinte Schomul ein zufriedenes Grinsen hinter seiner Fassade zu erkennen. Sollte der Leibwächter seine Genugtuung erhalten. Zufriedenheit war eine Gewähr für Holbars Loyalität.
Schomul wollte ihn gerade zurückpfeifen, da huschte etwas durchs Gehölz. Äste brachen. Tritte waren zu hören, obwohl der Tross still stand. Plötzlich begann der Ruten Hain zu leben. Tannenzweige tanzten, als würde es stürmen, obwohl nicht einmal eine Brise wehte. Eine Krähenschar erhob sich und flog über den Köpfen der Vampire davon, laut protestierend über die nächtliche Ruhestörung. Ein Käuzchen stimmte hysterisch mit ein. Und noch ehe sich Schomul versah, fand er sich mit seinen Begleitern umzingelt. Vor ihm rissen Schemen Holbar aus dem Sattel. Die Schmerzensschreie des Rothaarigen übertönten selbst den Protest der Krähen und des Käuzchens. Zottelige Kreaturen rissen seinen Körper entzwei. Wie Widerhaken hackten sie ihre Hauer in Holbars Körper und bissen große Stücke heraus. Die Bestien zerlegten den Vampir. Wolfsgeheul begleitete ihren Rausch. Sie wiegten ihre Köpfe hin und her und jaulten, um dann wieder über den Leibwächter herzufallen. Kaum hatte das Käuzchen aufgehört zu schreien, war Holbar bereits vom Erdboden verschwunden. Lediglich eine riesige Blutlache erinnerte an ihn.
Schomul war bestürzt. Nie hatte er auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass weitere Möglichkeiten existieren könnten, einen Vampir auszulöschen. Sonnenlicht, Weihwasser, das nach der„Purpurnen Schriftrolle“ Ingrimms hergestellte Gift – aber darüber hinaus nichts! Und nun war er Zeuge eines Vampirmordes der bisher unbekannten Art. Oder kannten seine Begleiter diese Möglichkeit? Verdammt! Schomul hatte noch viel zu lernen.
Die Werwölfe hielten die Vampire umzingelt. Geifer tropfte von ihren Hauern. Augen, rot wie glühende Kohlen, starrten die Delegation aus Wölfing gierig an. Die Krallen der Nachtgeschöpfe waren geschwungen und scharf wie Säbel, bereit, sich jeden Augenblick auf die Eindringlinge zu stürzen und sie in Stücke zu reißen. Unruhig wieherten die Pferde der Vampire. Nur mit Mühe konnten die Vampire sie davon abhalten, aus Panik loszugaloppieren.
Plötzlich verwandelte sich der Werwolf vor Schomul. Seine Säbelkrallen schrumpften. Das Leuchten seiner glutroten Augen erlosch. Der Wolfskörper stand nur noch auf den Hinterpfoten, richtete sich auf und nahm die Haltung eines Buckligen an, teils mit Haut, teils mit Fell bedeckt.
Als der Werwolf seine Vorderläufe anhob, richtete die Leibgarde ihre Lanzen, Schwerter und Armbrüste auf ihn. Schomul fragte sich, ob sie die Kreaturen durch ihre primitiven Waffen töten konnten. Erforderte es nicht ebenfalls Weihwasser wie bei den Vampiren? Waren die Werwölfe verletzlich geworden, da sie durch eine erneute Wandlung ein Teil der Natur wurden oder lag Rappaschumahs schützende Hand über ihnen? Schomul wollte es nicht herausfinden.
„Halt!“ Er schrie so inbrünstig, dass seine Leibgarde zusammenzuckte. „Das Geschöpf hält seine Mitstreiter zurück. Diese Geste ist keine Drohgebärde.“
Langsam ritt er näher an den Werwolf heran. Nicht einen einzigen Moment ließ er ihn aus den Augen. Die
Weitere Kostenlose Bücher