Purpurfalter
halbverwandelte Kreatur starrte ihn ebenfalls unentwegt an, als würde sie ihn mustern. Schomul stieg wachsam vom Pferd ab. Seine Leibwächter klagten über seinen Leichtsinn. Nervös trippelten die Pferde auf der Stelle. Schomul konzentrierte sich auf den Werwolf. Er ertappte sich dabei, wie er Zeichen zu deuten versuchte. Mit aller Macht kämpfte er dagegen an, dem Wunsch nach Vertrautheit zu erliegen. Konnte er sich selbst blenden?
Schritt für Schritt. Atemzug nach Atemzug. Bis Schomul vor dem Geschöpf stand und ihn erkannte. „Du hast deine Erlösung gefunden?“
Der Werwolf nickte lächelnd. „Und du hast dich verändert, Schomul.“
„Ich habe meinen Stolz und Jähzorn, den du so oft kritisiert hattest, zu meinem Vorteil eingesetzt, Fedlor.“ Er wandte sich an seine Leibgarde. „Reitet weiter. Ich folge euch später.“ Als sie protestierten, fügte er hinzu: „Ich befehle euch, zieht weiter!“
Fedlor jaulte auf und schon verschwanden die Werwölfe zwischen den Tannen. Widerwillig zog Schomuls Leibwache von dannen.
„Ich sehe, du bekleidest ebenfalls eine mächtige Stellung.“ Wärme durchströmte Schomul. Er merkte, wie sehr er seinen Freund vermisste hatte.
Fedlor nahm auf dem moosbedeckten Waldboden Platz. Schmatzend gab dieser nach. „Während du die Wolfsburg, nein, ganz Valkenhorst erobert hast, bin ich zum Alphawolf aufgestiegen. Rappaschumahs Sekte beizutreten war das Beste, was ich jemals getan habe.“
Nachdenklich setzte sich Schomul auf einen Baumstumpf. Eine Spitzmaus huschte zwischen seinen Stiefeln hindurch und verschwand hinter Morcheln. Während er ihr nachschaute, entschied er, nicht noch einmal seine Bedenken gegenüber Rappaschumah zu äußern. Auch nach vielen Jahren war er nicht in der Lage über seinen Schatten zu springen und Fedlors Entscheidung zu akzeptieren. Er knuffte seinen Freund brüderlich und lächelte. „Nur dein Aussehen hat darunter gelitten.“
Fedlor lachte laut auf. „Und du bist blass geworden. Das Regieren auf der Wolfsburg tut dir nicht so gut wie das Schuften in den Weinhängen Rabenhöhs.“ Seine Fröhlichkeit ebbte ab und er wurde ernst. „Du hast die Situation der Menschen verbessert. Die Zeiten haben sich geändert. Dennoch sehe ich mit Besorgnis, dass du durch und durch ein Vampir geworden bist.“
Schomul riss ein Wurzelende aus dem Waldboden und brach es entzwei. „Ich hatte ein Ziel, und dieses habe ich nur erreichen können, indem ich zum Vollblutvampir wurde. Außerdem kann sich niemand dem Sog der Zugehörigkeit entziehen. Dafür ist die Lebensdauer eines Vampirs zu lang. Ein friedliches Zusammenleben mit den Menschen ist leider auch nicht möglich. Schließlich geben sie uns ihr Blut nicht freiwillig.“ Er schmiss das Wurzelende fort. Es flog gegen einen gespaltenen Fichtenstamm und scheuchte eine ganze Armada Borkenkäfer auf, die an der Rinde nagten. „Gib dich dem Mitleid hin und verschone sie - und du wirst sterben.“
Fedlor nickte. „Keine Wahl. Eure Beziehung zu den Werwölfen ist jedoch anders.“ Auffordernd legte er eine Hand auf Schomuls Arm. „Unsere Völker sollten Frieden schließen. Die Werwölfe wollen lediglich in Ruhe gelassen werden. Es gibt keinen Grund für die Vampire, uns als Bedrohung anzusehen.“
„Ihr greift uns an.“
„Das wird nicht mehr geschehen.“ Fedlor reichte Schomul seine Hand. „Lass uns ab sofort an einem Strang ziehen. Ihr überlasst uns die Wälder und wir geben Acht, dass kein Fremder sie durchquert.“
„Damit wären die Grenzen Valkenhorsts abgesichert.“ Begeistert schlug Schomul ein. Das Käuzchen begann erneut zu schreien, aber dieses Mal war es eher ein zufriedenes Gurren. „Jetzt müssen wir nur noch unsere Völker davon überzeugen.“
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Und Schomul schaffte es tatsächlich, durch Beharrlichkeit den Frieden zwischen den Werwölfen und Vampiren durchzusetzen. Fedlor überzeugte die Sekte Rappaschumahs. So entstand nach jahrelanger Trennung der beiden jungen Männer nicht nur eine neue Freundschaft, sondern sie führten auch ihre Völker zusammen. Schomul ließ unter Fedlors Aufsicht Werwolf-Skulpturen aus dem Höllenstein, der nur in den tiefen Höhlen von Rabenhöh zu finden ist – Mythen sagten dem grauen Gestein ein mysteriöses Eigenleben nach – meißeln und vor die Eingangstür der Wolfsburg stellen als ein Symbol der Zusammenführung.
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„Diese Geschichte, die so wahr ist wie mein Name Bortlam lautet, mag beunruhigend und erleichternd zugleich
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