QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
nicht sehr unterscheiden (vgl. Abb. 25). Anhand dieses detaillierteren Bilds sehen wir, daß einige Pfeile mehr oder weniger nach rechts zeigen, andere mehr oder weniger nach links. Addieren wir alle Pfeile, so ordnen sie sich zu einer Art Kreis, so daß sie mehr oder weniger auf der Stelle treten.
Nehmen wir aber einmal an, wir kratzen den Spiegel überall dort aus, wo die Pfeile in eine Richtung tendieren, sagen wir dort, wo sie einen Linksdrall entfalten, so daß einzig die Bereiche übrigbleiben, deren Pfeile in die andere Richtung zeigen (vgl. Abb. 26). Addieren wir nur diese mehr oder weniger nach rechts deutenden Pfeile, erhalten wir eine Reihe von Halbkreisen und eine beachtliche Resultierende: Unserer Theorie zufolge müßten wir jetzt eine starke Reflexion beobachten können! Und in der Tat können wir das – die Theorie ist richtig! Ein solcher Spiegel wird als Beugungsgitter bezeichnet und wirkt wahre Wunder.
Oder ist es kein Wunder, daß ein Spiegelstück, von dem man sich keine Reflexion erwartet, mit einemmal Licht reflektiert, nur weil man einen Teil des Spiegels ausgekratzt hat? 4
Das Gitter, das ich Ihnen gerade vorgeführt habe, war rotem Licht auf den Leib geschneidert. Blauem würde es nicht »passen«. Ihm müßten wir ein neues Gitter mit enger zusammenliegenden ausgekratzten Streifen anmessen, da sich der Stoppuhrzeiger, wie schon in der ersten Vorlesung erwähnt, beim blauen Photon schneller dreht als beim roten. Es liegt also auf der Hand, daß sich die Schnitte, die wir eigens auf die »rote« Umdrehungsgeschwindigkeit abgestimmt haben, an der falschen Stelle befinden müssen, wenn wir plötzlich blaues Licht nehmen. Die Pfeile kriegen einen Knick, und die Sache mit dem Gitter funktioniert nicht mehr richtig. Aber wie der Zufall so spielt, kommt alles wieder ins Lot, wenn wir den Photoelektronen-Vervielfacher etwas versetzen, so daß ein neuer Reflexionswinkel entsteht: Schlagartig funktioniert unser rotem Licht angemessenes Gitter jetzt auch bei blauen Photonen. Welch glücklicher Zufall, den wir nur der Geometrie zu verdanken haben (vgl. Abb. 27).
Lassen wir weißes Licht auf das Gitter fallen, erhalten wir an einer bestimmten Stelle rotes Licht, etwas darüber orangenes, anschließend gelbes, grünes und blaues Licht – alle Farben des Regenbogens. Ganz ähnlich können wir auf Flächen mit eng beieinanderliegenden Rillen – zum Beispiel auf einer Schallplatte (oder besser noch einer Videoplatte) – unter hellem Licht je nach Winkel verschiedene Farben beobachten. Vielleicht haben Sie schon einmal die wunderbaren silbrigen Zeichen auf den Autohecks gesehen (hier im sonnigen Kalifornien erfreuen sie sich großer Beliebtheit), die dem Auge auf dem fahrenden Auto sehr helle, zwischen rot und blau schillernde Farben vorgaukeln. Nun wissen Sie, wie die Farben zustande kommen: durch ein Gitter, einen Spiegel, der genau an den richtigen Stellen ausgekratzt worden ist. Die Sonne ist die Lichtquelle, ihr Auge der Detektor. Ebenso leicht könnte ich Ihnen die Arbeitsweise von Lasern und Hologrammen erklären, doch werden nicht alle von Ihnen diese Dinge kennen, und wir haben zuviel anderes zu besprechen. 5
Das Gitter beweist uns also, daß wir die scheinbar nicht reflektierenden Teile eines Spiegels nicht außer acht lassen dürfen. Wie wir gesehen haben, genügen einige schlaue Tricks, um darzulegen, daß in Wirklichkeit alle Teile reflektieren, und wir können damit sogar einige überraschende optische Phänomene produzieren.
Wichtiger aber ist ein anderer Aspekt: Der Beweis der Reflexion an allen Teilen des Spiegels lehrt unter anderem auch, daß es für jeden Weg , auf dem ein Ereignis eintreten kann, eine Amplitude gibt. Und um die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses unter verschiedenen Umständen korrekt berechnen zu können, müssen wir die Pfeile für jeden Weg , auf dem das Ereignis eintreten könnte, addieren – also nicht nur für die Wege, die wir für wichtig halten!
Nun möchte ich mich einer Erscheinung zuwenden, die Ihnen vertrauter ist als Gitter – nämlich Licht, das aus der Luft in Wasser fällt. Diesmal wollen wir den Photoelektronen-Vervielfacher unter Wasser anbringen – der Versuchsleiter wird schon wissen, wie! Die Lichtquelle befindet sich in der Luft in S und der Detektor unter Wasser in D (vgl. Abb. 29). Wieder lautet die Frage, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Photon von der Lichtquelle zum Detektor gelangt.
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