QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
handhaben ist!). Also brauchen wir bloß auf dem kürzesten Weg über M ein Glas von entsprechender Dicke einzuschieben, und das Licht braucht auf diesem Weg genauso lang wie über A. Bei den benachbarten Wegen, die schon ein kleines bißchen länger sind, ist nicht mehr ganz soviel Glas erforderlich (vgl. Abb. 36). Je mehr wir uns A nähern, desto weniger Glas müssen wir dazwischenschieben, um das Licht zu verlangsamen. Durch genaue Berechnung der jeweils erforderlichen Glasdicke können wir die Zeitunterschiede zwischen den einzelnen Wegen ausgleichen, so daß das Licht schließlich auf allen gleich lang braucht. Zeichnen wir nun für jeden Weg, den das Licht einschlagen könnte, einen Pfeil, so zeigt sich, daß wir sie alle gleich ausgerichtet haben – und in Wirklichkeit haben wir Millionen winziger Pfeile –, so daß wir im Endeffekt einen sensationell großen, unerwartet langen resultierenden Pfeil erhalten! Natürlich haben Sie längst erraten, wovon die Rede ist: von einer Sammellinse, die das Licht in einem Brennpunkt sammelt. Wenn wir die Zeit für das Licht durch einen »Trick« auf allen Wegen gleich lang machen, können wir es in einem Punkt sammeln oder, anders gesagt, die Wahrscheinlichkeit, daß es in einem bestimmten Punkt ankommt, gewaltig erhöhen. Umgekehrt wird die Wahrscheinlichkeit, daß es anderswo landet, entsprechend vermindert.
Mit diesen Beispielen wollte ich Ihnen demonstrieren, wie die Theorie der Quantenelektrodynamik Ihnen wohlvertraute Effekte produziert, obwohl sie sich auf den ersten Blick völlig absurd ausnimmt und ohne alle Kausalität oder irgendeinen begreifbaren Mechanismus, ja ohne jeden realen Hintergrund erscheint: Effekte, wie die Reflexion des Lichts an einem Spiegel, die Brechung des Lichts beim Übergang von Luft in Wasser und die Sammlung des Lichts durch eine Linse. Darüber hinaus produziert sie noch andere Effekte, die Sie vielleicht schon einmal beobachtet haben, etwa Beugungsgitter sowie eine Reihe weiterer Phänomene. Ja mehr noch, die Theorie erweist sich für die Erklärung sämtlicher Lichterscheinungen als brauchbar.
Ich habe Ihnen anhand von Beispielen gezeigt, wie man die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses, das auf die eine oder andere Weise eintreten kann, berechnet: Man zeichnet für jede der verschiedenen Möglichkeiten einen Pfeil und addiert diese dann. »Pfeile addieren« bedeutet, die Pfeile jeweils mit der Spitze ans Ende ihrer Vorgänger anzuhängen und die so entstehende Kette durch einen »resultierenden Pfeil« zu schließen. Das Quadrat dieser Resultierenden ergibt dann die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses.
Damit sie ein bißchen mehr Gespür dafür bekommen, was Quantentheorie heißt, möchte ich Ihnen nun zeigen, wie die Physiker die Wahrscheinlichkeit des Eintritts zusammengesetzter Ereignisse berechnen – also von Ereignissen, die in eine Reihe einzelner Schritte zerlegt werden können oder aus einer Anzahl unabhängig voneinander eintretender Dinge bestehen.
Als Beispiel eines zusammengesetzten Ereignisses soll uns – in abgewandelter Form – unser erstes Experiment dienen, bei dem wir die partielle Reflexion von rotem Licht an einer einzigen Glasfläche gemessen haben. Anstelle des Photo-Multipliers wollen wir in A (vgl. Abb. 37) einen Schirm mit einem Loch aufstellen, um die hier eintreffenden Photonen durchzulassen. Den Photoelektronen-Vervielfacher wollen wir in C postieren, und in B schieben wir eine Glasscheibe ein. Wie groß ist nun die Wahrscheinlichkeit, daß ein Photon von der Lichtquelle nach C gelangt? Und wie können wir sie berechnen?
Wir können dieses Ereignis in zwei aufeinanderfolgende Schritte zerlegen. Schritt 1: ein Photon verläßt die Quelle, wird vom Glasblock mit einer einzigen Grenzfläche reflektiert und landet in A. Schritt 2: das Photon wandert von A zur Glasscheibe in B, wird hier reflektiert und beendet seine Reise im Photo-Multiplier in C. Jeder Schritt hat eine Resultierende – eine Amplitude (ich werde die Wörter gleichwertig verwenden) –, die sich mit Hilfe der uns bisher bekannten Regeln berechnen läßt. Die Amplitude für den ersten Schritt hat eine Länge von 0,2 (das Quadrat davon, also die Wahrscheinlichkeit der Reflexion an einer einzigen Glasfläche, beträgt 0,04) und wird in einem bestimmten Winkel gedreht – sagen wir, auf 2 Uhr (Abb. 37).
Um die Amplitude für den zweiten Schritt zu berechnen, stellen wir die Lichtquelle vorübergehend in A auf und zielen
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