QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
einen etwas geraderen und deutlich kürzeren – also einen, der wesentlich weniger Zeit beansprucht. Dort jedoch, wo die Wege schon fast gerade verlaufen – zum Beispiel in C –, erfordert ein benachbarter, etwas direkterer fast die gleiche Zeit. Und hier erbringt die Addition der Pfeile eine beträchtliche Wegstrecke, denn hier heben sich die Pfeile nicht gegenseitig auf. Und genau das ist auch die Stelle, die sich das Licht aussucht.
Es ist wichtig festzuhalten, daß der den geradlinigen Weg über D darstellende Pfeil (vgl. Abb. 32) allein nicht genügt, um die Wahrscheinlichkeit, daß von der Quelle Licht zum Detektor gelangt, zu begründen. Offensichtlich leisten die benachbarten, nahezu geradlinigen Wege – zum Beispiel über C und E – ebenfalls einen wichtigen Beitrag. Das bedeutet, daß sich das Licht in Wirklichkeit nicht nur geradlinig ausbreitet; es »schmeckt« in die Nachbarpfade ringsherum »hinein« und macht sich einen kleinen Kernbereich in seiner unmittelbaren Umgebung zunutze. (Ganz ähnlich muß ein Spiegel, um normal zu reflektieren, eine Mindestgröße aufweisen: Ist er zu klein für dieses Kernbündel benachbarter Wege, wird das Licht in viele Richtungen gestreut, egal, wohin man den Spiegel auch stellt.)
Untersuchen wir diesen Lichtkern einmal etwas näher, indem wir zwischen die Lichtquelle in S und den Photoelektronen-Verfielfacher in P zwei Blöcke einschieben, um die Lichtpfade bis zu einem gewissen Grad zusammenzuhalten (vgl. Abb. 33). Außerdem wollen wir unterhalb von P in Q noch einen zweiten Photo-Multiplier aufstellen und wieder der Einfachheit halber annehmen, daß das Licht nur auf Wegen aus zwei geraden Linien von S nach Q gelangen kann. Was geschieht nun? Ist der Spalt zwischen den beiden Blöcken breit genug, um das Licht auf vielen benachbarten Wegen nach P und Q gelangen zu lassen, addieren sich die Pfeile für die Wege nach P (weil diese fast die gleiche Zeit beanspruchen), während sich die Pfeile für die Wege nach Q gegenseitig auslöschen (da sie merkliche Zeitunterschiede aufweisen). Der Photo-Multiplier in Q bleibt stumm.
Schieben wir jetzt die Blöcke etwas enger zusammen, beginnt der Detektor in Q in dem Augenblick, in dem sie einen bestimmten Abstand erreicht haben, zu klicken! Denn wenn der Spalt fast geschlossen ist, und das Licht nur noch wenige benachbarte Wege einschlagen kann, addieren sich auch die Pfeile nach Q, da die Wege nun ebenfalls so gut wie keinen Zeitunterschied aufweisen (vgl. Abb. 34). Natürlich erhalten wir für P wie für Q nur eine kleine Resultierende, das heißt, durch ein so kleines Loch dringt nur wenig Licht, dennoch klickt der Detektor in Q fast ebenso oft wie der in P! Wenn Sie also das Licht allzu sehr zusammenzupressen versuchen, damit es nur ja in einer geraden Linie läuft, sagt es die Mitarbeit auf und beginnt auseinanderzulaufen. 6
So entpuppt sich also der Satz von der geradlinigen Ausbreitung des Lichts als bequeme näherungsweise Umschreibung der wirklichen Vorgänge in der uns vertrauten Welt; ähnlich wie der Satz von der Gleichheit von Ein- und Ausfallswinkel im Falle der Reflexion des Lichts an einem Spiegel.
So, wie wir mit einem schlauen Trick einen Spiegel dazu bringen können, das Licht in vielen verschiedenen Winkeln zu reflektieren, können wir das Licht mit einem ähnlichen Trick übertölpeln, sich auf vielen Wegen von einem Punkt zu einem anderen zu begeben.
Als erstes werde ich zur Vereinfachung der Dinge zwischen Lichtquelle und Detektor eine gestrichelte vertikale Linie ziehen (vgl. Abb. 35; eine künstliche Linie, die nichts weiter zu besagen hat) und festlegen, daß wir nur die aus zwei geraden Linien bestehenden Wege betrachten wollen. Die Kurve, die für jeden Weg die Zeit anzeigt, sieht genauso aus wie bei der Reflexion des Lichts vom Spiegel (nur daß ich sie diesmal seitlich zeichnen will): sie beginnt oben in A, krümmt sich nach unten, weil die Wege in der Mitte kürzer sind und weniger Zeit beanspruchen, und wölbt sich schließlich wieder nach oben.
Und nun wollen wir uns einen kleinen Scherz erlauben und das Licht »zum Narren halten«: Alle Wege sollen dieselbe Zeit erfordern. Wie können wir das anstellen? Wie wollen wir bewerkstelligen, daß der kürzeste Weg über M genauso viel Zeit beansprucht wie der längste Pfad über A?
Das ist gar nicht so schwer. Bekanntlich breitet sich Licht im Wasser langsamer aus als in Luft; und ebenso in Glas (das viel leichter zu
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