QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
(Diese Symmetrie haben wir übrigens dadurch erreicht, daß wir Quelle und Detektor in gleicher Höhe angebracht und den Weg über G genau in die Mitte des Spiegels gelegt haben.) So zeigt zum Beispiel der Pfeil für den Weg über J in dieselbe Richtung wie der Pfeil für den Weg über D.
Jetzt addieren wir alle unsere kleinen Pfeile (Abb. 24), indem wir, beginnend mit Pfeil A, die Pfeile aneinanderhängen, wobei die Spitze des Vorgängers jeweils an das Ende des Nachfolgers stoßen soll. Machen wir uns, nachdem das geschehen ist, einmal selber auf den Weg. Setzten wir für jeden kleinen Pfeil einen Schritt, würden wir anfangs nicht sehr weit kommen, da die ersten paar Schritte ihre Richtung allzu sehr ändern. Nach einiger Zeit aber beginnen die Pfeile, in etwa dieselbe Richtung zu zeigen, und so kommen wir endlich ein bißchen vom Fleck. Gegen Ende unseres Spaziergangs wechselt die Richtung erneut von Schritt zu Schritt, und wir drehen uns wiederum mehr oder minder im Kreis.
Bleibt noch, die Resultierende zu ziehen. Zu diesem Zweck brauchen wir lediglich das Ende des ersten kleinen Pfeils mit der Spitze des letzten zu verbinden, und schon zeigt sich, welche Strecke wir auf unserem Spaziergang letztlich zurückgelegt haben (Abb. 24). Und siehe da – wir erhalten eine recht stattliche Resultierende! Das heißt, die Theorie der Quantenelektrodynamik prophezeit, daß das Licht vom Spiegel reflektiert wird!
Gehen wir der Sache weiter auf den Grund und fragen: Wovon hängt die Länge des resultierenden Pfeils ab? Dabei kommt uns eine Reihe von Dingen in den Sinn. Erstens, daß die Spiegelränder nicht ins Gewicht fallen: Dort wandern die kleinen Pfeile mehr oder minder im Kreis herum, treten also gewissermaßen auf der Stelle. Es dürfte sich kaum auf die Länge der Resultierenden auswirken, wenn ich die Spiegelränder abschnitte. (Sie haben ja von vornherein gemutmaßt, daß ich mit ihnen nur meine Zeit verschwende.)
Wo auf dem Spiegel erhält der resultierende Pfeil dann seine Länge? Dort, wo die Pfeile fast in dieselbe Richtung weisen – weil die Zeit fast dieselbe ist. Und das ist, wie Ihnen ein Blick auf unsere Zeitkurve für die einzelnen Wege (Abb. 24) zeigt, um das Minimum der Kurve herum der Fall, wo die Wege am wenigsten Zeit beanspruchen. Hier ist, wie Sie sehen, die Zeit von einem Weg zum nächsten fast gleich.
Fassen wir zusammen: Die zeitsparendsten Wege finden sich just an der Stelle, an der fast kein zeitlicher Unterschied zwischen den benachbarten Wegen besteht. Dort zeigen die kleinen Pfeile fast in dieselbe Richtung und addieren sich zu einer beträchtlichen Länge. Dort fällt auch die Entscheidung über die Wahrscheinlichkeit, ob ein Photon vom Spiegel zurückgeworfen wird oder nicht. Das ist der Grund dafür, warum wir näherungsweise mit dem groben Bild der Welt zu Rande kommen, daß sich das Licht immer den Weg sucht, der am wenigsten Zeit beansprucht. (Nebenbei bemerkt wäre es ein leichtes zu beweisen, daß an dieser Stelle der Einfallswinkel gleich dem Ausfallswinkel ist, aber dafür fehlt uns leider die Zeit.)
Die Theorie der Quantenelektrodynamik hat demnach die richtige Antwort gegeben – die Reflexion spielt sich in der Mitte des Spiegels ab. Dieses korrekte Ergebnis erzielten wir um den Preis unserer Annahme, daß das Licht überall vom Spiegel reflektiert wird und daß wir haufenweise kleine Pfeile addieren mußten, einzig und allein zu dem Zweck, damit sie sich gegenseitig wieder aufheben. Das mag Ihnen wie reine Zeitverschwendung erscheinen, wie ein albernes Mathematikerspielchen. Mit Faktoren herumzujonglieren, die sich gegenseitig wieder aufheben, scheint mit »wirklicher Physik« wenig zu tun zu haben!
Prüfen wir die Ansicht, daß der Spiegel das Licht wirklich überall reflektiert, noch anhand eines anderen Experiments. Zu diesem Zweck wollen wir den größten Teil des Spiegels abschneiden und nur etwa das linke Viertel zurückbehalten. Damit haben wir immer noch ein ganz schön großes Stück, aber es befindet sich an der falschen Stelle. Bei unserem vorigen Experiment haben die Pfeile auf der linken Spiegelseite in sehr unterschiedliche Richtungen gezeigt, weil sich die benachbarten Wege zeitlich stark unterschieden (Abb. 24). Bei diesem Versuch will ich eine detailliertere Berechnung anstellen und das linke Spiegelviertel in viel kleinere Reflexionseinheiten unterteilen, die viel näher beieinander liegen – so daß sich die benachbarten Wege zeitlich
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