QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
5, würden wir die Formulierung vorziehen, das Photon sei bei 6 emittiert und bei 5 absorbiert worden; genausogut aber könnten wir behaupten, das Photon bewege sich in der Zeit rückwärts! Im Grunde kann es uns ganz egal sein, ob sich das Photon in der Raumzeit vor- oder zurückbewegt, denn das alles ist in der Formel für P(5 nach 6) eingeschlossen, und deshalb sagen wir, ein Photon wird »ausgetauscht«. Wie wunderbar einfach doch die Natur ist! 18
Nun könnte zusätzlich zu dem zwischen 5 und 6 ausgetauschten Photon ein weiteres Photon ausgetauscht werden, sagen wir zwischen den Punkten 7 und 8 (vgl. Abb. 62). Erlassen Sie es mir, all die Grundvorgänge aufzuschreiben, deren Pfeile multipliziert werden müssen. Jedenfalls bekommt jede gerade Linie – wie Ihnen wohl schon aufgefallen sein wird – ein E(A nach B), jede Wellenlinie ein P(A nach B) und jede Kopplung ein j . Das heißt, für jedes in der Raumzeit mögliche 5, 6, 7 und 8 gibt es sechs E(A nach B)s, zwei P(A nach B)s und vier j s! Das ergibt Milliarden winziger Pfeile, die multipliziert und dann addiert werden müssen!
Vermutlich erscheint Ihnen die Berechnung der Amplitude für diesen einfachen Vorgang als hoffnungsloses Unterfangen. Ein Physikstudent indessen, der sein Studium erfolgreich zum Abschluß bringen will, darf solchen Anfällen von Entmutigung nicht nachgeben.
Und in der Tat blitzt ein Hoffnungsschimmer am Horizont auf, und zwar in Gestalt der magischen Zahl j . Bei der Berechnung der beiden ersten Wege waren keine j s aufgetaucht; bei der Berechnung des folgenden Wegs j x j und bei der Berechnung des letzten Wegs j x j x j x j . Da j x j kleiner als 0,01 ist, darf die Länge des Pfeils für diesen Weg im allgemeinen nicht einmal 1 Prozent des Pfeils für die beiden ersten Wege betragen; und ein Pfeil mit j x j x j x j ist kleiner als 1 Prozent von 1 Prozent – also ums Zehntausendfache kleiner als die Pfeile ohne j s. Wenn Sie genügend Zeit und Lust haben, können Sie ja die Möglichkeiten bei j 6 – einem Millionstel – auf dem Computer ausrechnen und so der Genauigkeit der Experimente gleichkommen. Denn jetzt wissen Sie, wie einfache Ereignisse berechnet werden. So funktioniert das; mehr ist nicht dabei!
Wenden wir uns einem anderen Prozeß zu, der mit einem Photon und einem Elektron beginnt und mit einem Photon und einem Elektron endet. Zum einen kann dieser Prozeß folgendermaßen ablaufen: Ein Photon wird von einem Elektron absorbiert, das Elektron setzt seinen Weg noch ein Stück fort, und emittiert dann ein neues Photon. Dieser Vorgang ist uns als Streuung des Lichts bekannt. Versuchen wir nun, die Streuung in Diagrammen und Berechnungen zu erfassen, müssen wir auch einige ausgefallene Möglichkeiten mit einschließen (vgl. Abb. 63). Zum Beispiel könnte das Elektron ein Photon emittieren, bevor es eines absorbiert (b). Oder, und diese Möglichkeit (c) ist noch sonderbarer, das Elektron könnte ein Photon emittieren, daraufhin in der Zeit zurücklaufen , um ein Photon zu absorbieren, und sich dann in der Zeit wieder vorwärts bewegen. Der Weg eines solchen »rückwärts laufenden« Elektrons kann sogar so lang sein, daß er bei Experimenten im Labor wirklich in Erscheinung tritt. Auch sein Verhalten ist in diesen Diagrammen und in der Gleichung für E(A nach B) mit eingeschlossen.
Schauen wir uns das rückwärts laufende Elektron bei vorwärts fortschreitender Zeit an, kommt es uns wie ein ganz gewöhnliches Elektron vor, außer daß es von normalen Elektronen angezogen wird, daß es also, wie wir sagen, eine »positive Ladung« hat. (Hätte ich die Auswirkungen der Polarisation berücksichtigt, würde ersichtlich, warum das Vorzeichen von j für das rückwärts laufende Elektron umgekehrt erscheint, was die Ladung positiv erscheinen läßt.) Aus diesem Grund wird es als »Positron« bezeichnet. Das Positron ist gewissermaßen ein Geschwister zum Elektron und außerdem ein Mitglied der Familie der »Antiteilchen«. 19
Dieses Phänomen gilt allgemein. In der Natur hat jedes Teilchen eine Amplitude, sich in der Zeit zurückzubewegen und deshalb ein entsprechendes Antiteilchen. Stoßen ein Teilchen und sein Antiteilchen zusammen, vernichten sie sich gegenseitig und bilden andere Teilchen. (Bei der gegenseitigen Vernichtung eines Positrons und eines Elektrons entstehen gewöhnlich ein oder zwei Photonen.) Und bei Photonen? Photonen sehen – wie wir schon weiter oben beobachtet haben –
Weitere Kostenlose Bücher