QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
uns jetzt dem dritten grundlegenden Vorgang zu: Ein Elektron emittiert oder absorbiert ein Photon – was beides auf dasselbe hinausläuft. Diesen Vorgang möchte ich einen »Berührungspunkt« oder eine »Kopplung« nennen. Zur besseren Unterscheidung der beiden Teilchen will ich in den Diagrammen die Elektronen auf ihrem Flug durch die Raumzeit als gerade Linie darstellen, die Photonen dagegen als Wellenlinien. So gesehen ist jede Kopplung ein Berührungspunkt zweier gerader Linien und einer Wellenlinie (vgl. Abb. 58). Zur Berechnung der Amplitude der Emission oder Absorption eines Photons durch ein Elektron ist keine komplizierte Formel erforderlich; sie hängt von nichts ab – sie ist lediglich eine Zahl! Diese Kopplungszahl mit dem Wert von etwa –0,1 (das heißt, einer Verkürzung auf rund ein Zehntel und eine halbe Drehung), will ich j nennen. 15
Damit hätten wir also – von einigen kleinen Komplikationen abgesehen, die sich durch die von uns wie stets ausgeklammerte Polarisation ergeben – die drei Grundvorgänge erfaßt, durch deren Zusammensetzung wir etwas kompliziertere Situationen erhalten, denen wir uns im folgenden zuwenden wollen.
Beginnen wir mit der Berechnung der Wahrscheinlichkeit, daß zwei Elektronen von Punkt 1 und 2 in der Raumzeit nach Punkt 3 und 4 gelangen (vgl. Abb. 59). Dieses Ereignis kann auf verschiedene Weisen eintreten. Die erste Möglichkeit besteht darin, daß sich das Elektron von 1 nach 3 bewegt – wir setzen also 1 und 3 in die Formel E(A nach B) ein und schreiben E(1 nach 3) –, während das andere Elektron von 2 nach 4 wandert – was wir mit E(2 nach 4) ausdrücken. Da sich diese beiden »Teilereignisse« gleichzeitig ereignen, müssen wir die Pfeile multiplizieren, um einen Pfeil für diese erste Möglichkeit zu erhalten. Die Formel für den »Pfeil für den ersten Weg« lautet folglich: E(1 nach 3) x E(2 nach 4).
Ebensogut aber könnte das Elektron von 1 nach 4 gehen und das von 2 nach 3 – in diesem Fall hätten wir wieder zwei gleichzeitige Teilereignisse. Der »Pfeil für den zweiten Weg« beträgt E(1 nach 4) x E(2 nach 3) und wird mit dem Pfeil für den »ersten Weg« addiert. 16
Damit haben wir einen brauchbaren Näherungswert für die Amplitude dieses Ereignisses. Wollen wir uns durch genauere Berechnungen den experimentellen Ergebnissen weiter annähern, müssen wir uns umsehen, auf welche Weise dieses Ereignis noch eintreten könnte. Zum Beispiel könnte das Elektron in beiden Fällen jeweils zu einem aufregenden neuen Ort stürmen, und während das eine Elektron ein Photon emittiert (vgl. Abb. 60), könnte das andere dieses Photon absorbieren. Zur Berechnung der Amplitude für diese erste neue Möglichkeit müssen wir die Amplituden für folgende Schritte multiplizieren: Ein Elektron bewegt sich von 1 zu einem aufregenden neuen Ort 5 (wo es ein Photon emittiert) und weiter von 5 nach 3; das andere Elektron wandert von 2 zu seinem neuen Ort 6 (wo es das Photon absorbiert) und weiter von 6 nach 4. Nun müssen wir noch die Amplitude berücksichtigen, daß das Photon von 5 nach 6 geht. Ich werde die Amplitude für diese Möglichkeit in einer hochmathematischen Manier schreiben, und Sie folgen mir Schritt für Schritt: E(1 nach 5) x j x E(5 nach 3) x E(2 nach 6) x j x E(6 nach 4) x P(5 nach 6) – ein Haufen Verkürzungen und Drehungen! (Ich überlasse es Ihnen, den anderen Fall, in dem das Elektron von 1 in 4 und das von 2 in 3 landet, auszuklamüsern.) 17
Aber freuen Sie sich nicht zu früh: Die Orte 5 und 6 können überall in Raum und Zeit liegen – buchstäblich überall –, und das bedeutet, daß wir die Pfeile für alle diese Möglichkeiten berechnen und addieren müssen. Sie sehen, das wird eine Menge Arbeit. Nicht daß die Regeln so schwierig wären – es ist wie beim Schachspiel: Die Regeln sind im Grunde recht einfach, man muß sie nur immer und immer wieder anwenden. Unsere Schwierigkeit bei der Berechnung liegt darin, daß wir so viele Pfeile zusammentragen müssen. Deshalb dauert es ja auch vier Jahre, bis der Physikstudent gelernt hat, wie er das bewältigt – dabei haben wir es hier mit einem ausgesprochen leichten Problem zu tun! (Wachsen uns die Probleme über den Kopf, geben wir sie dem Computer ein!)
Noch ein Wort zur Emission und Absorption von Photonen. Ist Punkt 6 später als Punkt 5, könnten wir sagen, das Photon sei bei 5 emittiert und bei 6 absorbiert worden (vgl. Abb. 61). Ist 6 früher als
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