QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie (German Edition)
größeren Maßstäben bemerkbar machen, wenn ungeheure Mengen Photonen ausgetauscht werden. Vor allem wird natürlich die Berechnung der Pfeile äußerst kompliziert.
Aber auch in diesem Fall gibt es einige Situationen, die gar nicht so schwer zu analysieren sind. Zum Beispiel wenn die Amplitude für die Emission eines Photons nicht davon abhängt, ob schon ein anderes Photon emittiert worden ist. Dieser Fall kann eintreten, wenn die Quelle sehr schwer (ein Atomkern) ist oder wenn sich eine sehr große Anzahl Elektronen auf demselben Weg bewegen, etwa in der Antenne eines Rundfunksenders oder in den Spulen eines Elektromagneten. Unter solchen Umständen wird eine große Anzahl Photonen emittiert, und zwar ein und derselben Sorte. Die Amplitude, daß ein Elektron in einer solchen Umgebung ein Photon absorbiert, hängt nicht davon ab, ob es selber oder irgendein anderes Elektron schon vorher Photonen absorbiert hat. Deshalb kann sein gesamtes Verhalten einfach mit dieser Amplitude angegeben werden, daß ein Elektron ein Photon absorbiert, das heißt mit einer Zahl – dem sogenannten Feld –, die einzig und allein von der Position des Elektrons in Raum und Zeit abhängt. (In der Physik versteht man unter einem »Feld« eine Zahl, die vom Standort abhängt. Ein anschauliches Beispiel sind die Lufttemperaturen, die sich je nach Ort und Zeit der Messung ändern.) In dem Augenblick, in dem wir die Polarisation berücksichtigen, bekommt das Feld freilich mehr Komponenten. (Und zwar – entsprechend der Amplitude, jede der verschiedenen Polarisationsarten [X, Y, Z, T] des Photons zu absorbieren – vier, die technisch als Vektor- und skalare elektromagnetische Potentiale bezeichnet werden. Aus Kombinationen von diesen leitet die klassische Physik handlichere Komponenten ab, die sogenannten elektrischen und magnetischen Felder.)
In einer Situation, in der sich die elektrischen und magnetischen Felder langsam genug verändern, hängt die Amplitude, daß sich ein Elektron über eine sehr lange Strecke fortbewegt, vom eingeschlagenen Weg ab. Wie wir schon früher beim Licht gesehen haben, sind diejenigen Wege die wichtigsten, deren Nachbarwege Amplituden mit fast denselben Winkeln haben. Die Folge ist, daß sich das Teilchen nicht notwendig geradlinig fortbewegt.
Das bringt uns zurück zur klassischen Physik, gemäß deren Annahme sich Elektronen nach dem Prinzip der kleinsten Wirkung durch ein Feld bewegen. Dieses Beispiel beweist, was sich ebensogut in vielen anderen Richtungen belegen ließe, daß die Gesetze der Quantenelektrodynamik auch Phänomene großen Maßstabs erklären. Irgendwo aber müssen wir den Themenkreis dieser Vorlesungen abgrenzen. Ich wollte Ihnen nur noch einmal vor Augen führen, daß die Effekte, die wir im Großen sehen, und die sonderbaren Phänomene, die wir im Kleinen beobachten, gleichermaßen auf die Wechselwirkung zwischen Elektronen und Photonen zurückgehen und letztlich alle von der Theorie der Quantenelektrodynamik beschrieben werden können.
4. Einige abschließende Bemerkungen
In dieser Vorlesung werde ich mich mit zwei Themen befassen: zuerst – als gäbe es nur Elektronen und Photonen auf der Welt – mit Problemen, die mit der Theorie der Quantenelektrodynamik einhergehen; und im Anschluß daran mit dem Verhältnis der Quantenelektrodynamik zur übrigen Physik.
Das haarsträubendste an der Theorie der Quantenelektrodynamik ist wohl ihr verrücktes System mit den Amplituden, das, wie Sie sich leicht vorstellen können, allerhand Probleme aufwirft! Inzwischen haben die Physiker mehr als fünfzig Jahre mit Amplituden herumhantiert und sich längst daran gewöhnt. Außerdem passen alle die neuen Teilchen und neuen Phänomene, die wir beobachten können, und das, was wir aus dem Amplitudensystem ableiten können, nahtlos zusammen. Die Experimente lassen keinen Zweifel daran, daß die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses gleich dem Quadrat einer Resultierenden ist, deren Länge durch komische Kombinationsweisen von Pfeilen (mit Interferenzen und dergleichen) bestimmt wird – gleichgültig, was die Amplituden nun unter einem philosophischen Gesichtswinkel bedeuten mögen (sofern sie denn überhaupt eine Bedeutung haben). Der Physik als experimenteller Wissenschaft genügt es jedenfalls, daß die Theorie mit dem Experiment übereinstimmt.
Eine ganze Reihe von Problemen, die die Theorie der Quantenelektrodynamik mit sich bringt, kreist um die Verbesserung der
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