Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt
sein. Achte darauf, daß du deine
Gefühle für die Dame nicht zu sehr auf die leichte Schulter nimmst.«
Auch Patrick stand auf, und obwohl
Cochrans Worte ihn zutiefst verwirrten, verzichtete er darauf, das Thema weiterzuverfolgen.
Nachdem er eine Münze auf den Tisch geworfen hatte, folgte er Cochran in den
gleißenden Sonnenschein hinaus.
Ein Dienstmädchen brachte Charlotte am
nächsten Morgen ein hübsches gelbes Vormittagskleid, vermutlich eine widerwillige
Gabe der schönen Pilar. Aber Charlotte nahm es dankbar an, weil ihre einzige
Alternative der häßliche rote Fetzen war, den eine Hure auf Patricks Schiff
zurückgelassen hatte.
Etwas später erschien ein zweites
Dienstmädchen, um Charlottes langes Haar zu bürsten und zu einem kunstvollen
Chignon aufzustecken. Dann nahm sie auf dem kleinen Innenhof vor ihren Zimmern
ein köstliches Frühstück aus kleinen Blätterteigkuchen, Obst und Kaffee ein.
Als sie ihren Hunger gestillt hatte,
blieb sie in der warmen Sonne sitzen, trank Kaffee und lauschte dem Gezwitscher
der Vögel, bis Patrick kam.
Er sah müde und verärgert aus, und
Charlottes Herz flog ihm entgegen, obwohl sie allen Grund zu der Annahme besaß,
daß ihre Ehe nichts als ein amüsiertes Spielchen für ihn war. Sie verzichtete
darauf, ihn zu fragen, wo er die Nacht verbracht hatte, und grüßte ihn nur
freundlich. »Guten Morgen, Mr. Trevarren.«
Er blieb neben ihr stehen und
verschränkte die Arme über der Brust. »Hallo, Charlotte«, erwiderte er, während
sein Blick über ihr lose aufgestecktes Haar glitt, über ihr Gesicht und über
das geborgte Kleid, das ihre Schultern entblößte. »Hast du gut geschlafen?«
Charlotte lächelte. »Wie eine Tote«,
erwiderte sie, weil sie es für sinnlos hielt, ihm zu gestehen, daß sie sich mit
Fragen nach seinem Verbleib gequält hatte. Er neigte auch so schon dazu, seine
Bedeutung zu überschätzen. »Und du?«
Patrick schaute stirnrunzelnd auf
sie herab, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Charlotte, ich ...«
Sie sollte nie erfahren, was er
sagen wollte, denn in diesem Augenblick gesellte sich Pilar zu ihnen. So
unvermittelt, wie Patrick sich gesetzt hatte, erhob er sich nun wieder.
Pilar bedachte ihn mit einem
anbetungsvollen Lächeln: ihre dunklen Augen glänzten, ihr ebenholzschwarzes
Haar war zu einem dicken Zopf geflochten, den cremefarbene Gardenienblüten
zierten. Wie schon am Abend zuvor, trug das Mädchen auch heute morgen ein
schneeweißes Kleid.
Die Tochter des Hauses war
atemberaubend schön, doch während sie mit Patrick plauderte, kam Charlotte zu
einer verwirrenden Erkenntnis. Am Abend zuvor, im schwachen Schein des Monds
und der Straßenlaternen, war Pilar ihr älter erschienen, doch nun, bei hellem
Tageslicht, sah Charlotte, daß sie noch ein halbes Kind war, höchstens fünfzehn
oder sechzehn Jahre alt, und bis über beide Ohren in Patrick verliebt.
Stirnrunzelnd schenkte Charlotte
sich Kaffee nach. Patrick hatte Pilars Briefe aufbewahrt, aber vielleicht war
es in der Absicht geschehen, sie dem Mädchen eines Tages zurückzugeben...
»Wir werden ungefähr einen Monat
bleiben, Charlotte«, sagte Patrick. »Du wirst eine komplette neue Garderobe brauchen,
also knausere nicht, wenn die Schneiderin kommt, um Maß zu nehmen.«
Damit beugte er sich vor und küßte
Charlottes Wange, nickte der schmollenden Pilar zu und ging ins Haus.
»Ich begreife wirklich nicht, warum
er so blind und engstirnig sein muß«, sagte Pilar in gestelztem Schulenglisch.
Charlotte lächelte. Sie war beruhigt
und in großzügiger Stimmung, nachdem ihr klargeworden war, daß Pilar keine
Bedrohung für sie darstellte. Einladend deutete sie auf den Stuhl, den Patrick
eben verlassen hatte. »Ich glaube, die meisten Männer sind blind und
engstirnig«, entgegnete sie freundlich.
Pilar setzte sich. In ihren schönen
Augen glitzerten Tränen der Enttäuschung. »Sie sind aus Amerika«, sagte sie
anklagend. »Patrick ist auch Amerikaner. Ist das der Grund, warum er Sie
geheiratet hat?«
Da Charlotte nicht wußte, was sie
darauf erwidern sollte, hob sie nur die Schultern.
Pilar wischte ihre Tränen ab und
schaute Charlotte aus schmalen Augen an, so eindringlich, als versuchte sie,
bis auf den Grund ihrer Seele zu schauen. Dann seufzte sie theatralisch. »Ich
werde niemals heiraten«, sagte sie entschieden.
Charlotte biß sich auf die Lippen,
um ein Lächeln zu unterdrücken. Sie glaubte nun zu wissen, warum Pilar Weiß
trug vermutlich wünschte
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