Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
erfordern, bis diese Wunden heilten - Generationen
vielleicht sogar -, und Rafael trauerte um alles, was sein Volk bereits
erlitten hatte und noch erleiden würde. Annie, die spürte, daß er in diesem
Augenblick an seine verlorene Heimat dachte, zog seine Hand an ihre Lippen und
küßte sie.
»Eines Tages werden wir vielleicht
zurückkehren können, Rafael«, sagte sie, in der Hoffnung, ihn damit zu trösten.
Doch er schüttelte den Kopf, und als
er Annie anschaute, waren seine Augen wieder klar. »Nein, Liebling. Wir können
nur nach vorne schauen, das weißt du. Das Bavia, das ich einst liebte, ist
nicht mehr, so, als ob es niemals existiert hätte.«
Sie wandten sich ab und gingen
zusammen über die grobe, erst kürzlich bearbeitete Erde, durch ein Zwielicht roter,
purpurfarbener und goldener Lichtstreifen. Annie freute sich schon auf die
Nacht, in der sie sich lieben würden, auf den Morgen und auf all die andern
glücklichen Tage, die ihnen ihre Liebe schenken würde.
»Ich habe mir heute im Dorf aus der
Hand lesen lassen«, erzählte Annie, als sie sich dem Haus näherten. »Von der
Zigeunerin Rifka. Der Fleischer behauptet, daß sie dreihundert Jahre alt ist.«
Rafael lächelte und gab vor,
fasziniert zu sein. »Tatsächlich? Und was hat sie gesagt?«
Annie stieß einen tiefempfundenen
Seufzer aus und legte liebevoll die Hand auf ihren flachen Bauch. »Daß dieses
Kind — unsere Tochter — das erste von sechs gesunden Kindern ist.«
Sie hatten den Eingang zur Küche
erreicht, und Rafael blieb stehen, um Annie einen Kuß zu geben. »Das ist eine
Prophezeiung, die ich gern glauben werde«, sagte er. »Und wie wird ihrer
Ansicht nach unser Märchen enden, Prinzessin Annie?«
»Um das zu beantworten, brauche ich
keine Zigeunerin«, erwiderte Annie lachend. »Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an das
Ende ihrer Tage ...«
- ENDE -
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