Quälend süsse Glut
schmerzenden Schläfe, doch ihre Gedanken waren ganz woanders. Was war gerade geschehen?
Nachdem Rafiq sie völlig unmotiviert an sich gerissen und fast bis zur Besinnungslosigkeit geküsst hatte, stieß er sie ebenso abrupt wieder von sich, als sei sie es gewesen, die sich ihm an den Hals geworfen hätte.
Sera hatte damit gerechnet, dass er verärgert über ihre leichtsinnige Eskapade sein würde. Fuchsteufelswild sogar! Aber dann hatte er sie einfach geküsst! Und jetzt machte er sich Gedanken um eine alberne Schramme, die sie schon längst vergessen hatte.
Rafiq hasste sie! Daran hatte er bisher keinen Zweifel gelassen. Warum also dieser Kuss?
„Eure Hoheit!“ Der atemlose Ruf kam von den Dünen in ihrem Rücken, und als Sera den Kopf wandte, sah sie einen der Fahrer mehr auf sie zustolpern als laufen. Sein Gesicht war hochrot und verzerrt vor Angst und Sorge, der schweißgetränkte Kaftan klebte an der stattlichen Figur und war über und über mit Sand bedeckt. Sein Kollege folgte ihm dicht auf den Fersen und war in einer ähnlichen Verfassung.
Nagendes Schuldbewusstsein machte sich in Sera breit. Sie allein trug die Schuld an dem ganzen Dilemma. Sie war verantwortlich für den Verlust des teuren Wagens und die desolate Verfassung von Rafiqs Begleitern. Er selbst lebte schon so lange in Australien, dass er sich wahrscheinlich gar kein Bild davon machen konnte, was es für die Männer bedeutete, für seine Sicherheit und sein Wohlergehen zuständig zu sein. Doch Sera wusste genau, wie es im Palast ablief.
Seit wann bin ich eigentlich so gedankenlos und selbstsüchtig?, fragte sie sich beklommen und schaute verlegen zu den aufgelösten Gestalten hinüber. Doch die kümmerten sich kein bisschen um sie. Stattdessen starrten sie mit morbider Faszination auf den langsam versinkenden Jeep und sprachen ein Dankgebet für die Rettung des Prinzen.
„Eure Hoheit“, sagte einer von ihnen und presste die Hand aufs Herz, während er sich respektvoll verneigte. „Wir fürchteten um Ihre Sicherheit. Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?“
„Mir geht es bestens“, behauptete Rafiq gelassen und wies mit dem Kinn in Seras Richtung. „Sie hat eine Wunde an der Stirn, die einer von euch verarzten muss. Der andere hilft mir. Der Jeep ist zwar nicht mehr zu retten, aber wenn wir uns beeilen, können wir noch ein paar Sachen rausholen.“
Wie in Trance folgte Sera dem Fahrer zu dem vollklimatisierten Wagen, wo er ein Erste-Hilfe-Set hervorzog und die hässliche Schramme versorgte.
„Tut mir leid, dass ich so ein Chaos verursacht habe“, murmelte sie kleinlaut, doch der Mann zuckte nur gleichmütig die Schultern, als sei es für ihn das Normalste der Welt, dass eine Frau durchdrehte und wie ein aufgescheuchtes Huhn mitten in die Wüste raste.
Dabei hatte es sie einen Jeep gekostet und unnötig vergeudete Zeit! Ich muss tatsächlich verrückt geworden sein!, ging Sera mit sich selbst ins Gericht.
Gestern noch war sie absolut glücklich in ihrem neuen Leben gewesen – oder zumindest so zufrieden, wie es jemand mit ihrer Vergangenheit sein konnte. Sie hatte eine angenehme Stellung im Palast, als Gesellschaftsdame einer klugen, liebenswerten Frau, die sie sehr schätzte, und erledigte ihre Pflichten zu deren vollster Zufriedenheit. Sie war ruhig, überlegt und verantwortungsvoll.
Gewesen!
Bis Rafiq auftauchte und ihre kleine Welt auf den Kopf stellte. Wie konnte sie nur so schnell vergessen, wer sie war? Dass nur ein kleiner Anstoß genügte, um ihre quälende Vergangenheit wieder aufleben zu lassen, und damit eine unwillkommene Flut schmerzhafter Erinnerungen …
Langsam und bedrückt ging sie zu der Stelle zurück, wo der Jeep im Treibsand versank. Auf sicherem Boden stapelte sich inzwischen eine beeindruckende Menge an Dingen, die Rafiq noch aus dem Wagen hatte retten können. Als er ihr jetzt entgegenschaute, funkelten seine Augen so kalt wie Gletschereis.
So hatte er nicht ausgesehen, als er sie küsste.
Da leuchteten seine wundervollen blauen Augen vor Hunger und Lust. Und sie hatte gezittert wie Espenlaub, aber nicht, wie er wahrscheinlich vermutete, vor Schock, sondern wegen seiner beunruhigenden Nähe. Und dem Wissen, dass er sich ebenso sehr nach ihr verzehrte wie sie sich nach ihm.
Nervös knetete Sera ihre Finger. Rafiq sollte sie immer noch begehren? Jetzt, da sie nüchtern darüber nachdachte, erschien es ihr mehr als unwahrscheinlich, wenn nicht absurd. Es machte einfach keinen Sinn, ebenso wie
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