Quälend süsse Glut
und machte es fast unmöglich, ihr zu folgen. Wann, zum Teufel, hatte sie gelernt, einen Wagen zu chauffieren? Sie schien völlig außer Rand und Band zu sein und kümmerte sich weder um geltende Verkehrsregeln noch um das raue Gelände. Man konnte fast denken, dass sie sich von Höllenhunden verfolgt fühlte.
Was hätte Rafiq darum gegeben, den in die Hände zu bekommen, der Sera beigebracht hatte, Auto zu fahren. Doch noch mehr verlangte es ihn danach, ein paar ernsthafte Worte mit ihr selbst zu wechseln. Was dachte sie sich nur dabei, einfach einen der Wagen zu stehlen und in die Wüste zu rasen? Und was glaubte sie, damit ändern zu können?
Gar nichts.
Alles, was er getan hatte, war, sie mit ein paar Wahrheiten zu konfrontieren. Das mochte vielleicht wehtun, dabei hatte er ihr noch längst nicht alles gesagt, was ihm auf der Seele brannte. Und sie reagierte wie die verwöhnte Prinzessin, die sie nun mal war! Wenn sie jetzt schon befürchtete, er sei wütend auf sie, dann kannte sie ihn nicht wirklich! Sobald es ihm gelungen war, sie zu stoppen, würde er ihr schon zeigen, was er von ihrer verrückten Eskapade hielt!
Offensichtlich trat sie das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Der schwere Geländewagen schlingerte auf der unebenen Piste von einer Seite zur anderen. Rafiqs lästerlicher Fluch blieb ihm im Hals stecken, als er feststellen musste, dass Sera ohne ersichtlichen Grund plötzlich den befestigten Weg verließ. Während sie ungebremst auf die offene Wüste zusteuerte, verwandelte sich seine Wut in Angst.
Grundgütiger! Sie raste an dem Warnschild vorbei, als hätte sie es gar nicht gesehen. Aber er hatte die Karte eben noch genau studiert und wusste, was Sera da draußen erwartete!
Treibsand …
Rafiq riss das Steuer herum, eine Hand fest auf die Hupe gedrückt, und versuchte, den anderen Jeep einzuholen. Er kannte dieses tückische Phänomen aus eigener Erfahrung. In dem einen Monat, den er als junger Mann allein in der Wüste verbracht hatte, musste er mit ansehen, wie ein ausgewachsenes Kamel vom Treibsand verschluckt wurde. Als er hinzukam, steckte die hilflose Kreatur bereits bis zur Brust in der tödlichen Falle. Nie würde er die entsetzt aufgerissenen Augen und unartikulierten Laute vergessen, die sich dem armen Tier entrangen, bevor es vor seinen Augen versank.
Dann war es plötzlich ganz still gewesen … beängstigend still, bis auf das klagende Heulen des Wüstenwindes.
Allmächtiger, das durfte nicht geschehen! Nicht mit Sera!
Der Wagen vor ihm raste eine Sanddüne empor, schien auf der Kuppe sekundenlang in der Luft zu schweben, bis er in einem unnatürlichen Winkel vornüber stürzte und Rafiqs Blick entschwand.
Natürlich hatte Rafiq gehofft, das Fahrzeug würde endlich zum Stillstand kommen, aber doch nicht so!
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sein eigener Jeep den Sandhügel erklommen hatte. Als Rafiq endlich über die Düne schauen konnte, war seine Erleichterung so groß, dass er für einen Moment die Augen schloss. Sera hatte es tatsächlich geschafft, das PS-Monster wieder unter ihre Kontrolle zu zwingen, und schlidderte jetzt fast gemächlich den Berg hinunter. Und dann hielt sie glücklicherweise an!
Vielleicht war sie ja endlich zu Sinnen gekommen? Oder …
Sein Blut gefror zu Eis, als er sich näherte und den Grund sah, warum sie angehalten hatte. Sie steckte fest. Die Vorderräder des Geländewagens versanken mit quälender Langsamkeit im Sand. Rafiq spürte, wie sich sein Magen hob.
„Sera, nein …!“, schrie er entsetzt, „… nicht aussteigen!“
Sie schien ihn tatsächlich gehört zu haben, doch während sie den Kopf wandte, verließ sie bereits den Wagen. Ihr Blick drückte eher Erstaunen als Furcht aus.
„Steig sofort wieder ein und schließ die Tür!“
Sie schaute ihn an, als sei er verrückt, zuckte dann aber mit den Schultern und gehorchte. Dem Himmel sei Dank! Selbst, wenn sie die Gefahr inzwischen erkannt hatte, war es ein ganz natürlicher Instinkt, fliehen zu wollen. Doch leider würde sie das unweigerlich in den Tod treiben. Das musste er unter allen Umständen verhindern.
„Es geht nicht!“, rief sie ihm zu, nachdem sie vergeblich versucht hatte, die schwere Wagentür zu bewegen, und Rafiq fluchte unterdrückt, als er sah, warum. Die untere Kante war bereits in den Sand eingesunken. Jetzt konnte er in den Innenraum dringen und würde den Wagen noch schneller in seine mörderische Tiefe ziehen.
„Lass sein!“, befahl er heiser.
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