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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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… Bedenken, als wir
sahen, was geschah. Deshalb schufen wir die Zaddikkim – junge Idealisten aus
der Oubliette, denen wir mit unserer Technologie zur Seite standen. Wir
hofften, sie würden ein Gegengewicht bilden. Das war offensichtlich ein Irrtum,
und dieser Dieb hat alles durcheinandergebracht.«
    »Sagen Sie mir nur noch eines«, verlangt Isidore. »Was war dies
alles vorher?«
    Die Älteste hält inne. Ein Ausdruck der Trauer huscht über ihr
gelassenes Gesicht.
    »Liegt das nicht auf der Hand?«, fragt sie. »Die Oubliette war ein
Gefängnis.«

18   Der Dieb und der König
    Ich stehe mit meinem alten Ich im Robotergarten und halte
die Waffe in der Hand. Sie oder ein Traumbild davon liegt auch in seiner Hand.
Es ist seltsam, wie alles immer wieder auf zwei Männer mit Waffen hinausläuft,
ob in der Realität oder in der Fantasie. Ringsum wütet der langsame Krieg der
alten Maschinen.
    »Ich bin froh, dass du es geschafft hast«, sagt er. »Ich weiß nicht,
wo du die ganze Zeit warst. Ich weiß nicht, wo du hingehst. Aber ich weiß, dass
du hier bist, um eine Entscheidung zu treffen. Ziehst du den Abzug durch, dann
bist du wieder das, was wir einmal waren. Tust du nichts – nun, dann führst du
dieses Leben weiter, vollbringst kleinere Taten, träumst kleinere Träume. Oder
du lauschst wieder der Musik der Sphären und dem Wohlklang beim Bruch ihrer
Gesetze. Ich weiß, wie ich an deiner Stelle wählen würde.«
    Ich klappe den Revolver auf und sehe mir die neun Kugeln an. Auf
jeder steht ein Name, jede enthält einen Quantenzustand, der mit der ZEIT in der UHR einer
Person verschränkt ist. Isaacs UHR . Marcels UHR . Gilbertines UHR . Die UHREN der anderen. Wenn ich den Abzug neunmal
durchziehe, läuft ihre ZEIT ab. Die Maschine
startet. Neun Personen werden zu Schweigern, Atlas-Schweigern unter der Stadt.
Sie werden zu meinem Gedächtnispalast. Und ich werde sie niemals wiedersehen.
    Ich schließe die Waffe und drehe die Trommel wie beim
Russisch-Roulette. Mein junges Ich grinst. »Nur zu«, sagt er. »Worauf wartest
du?«
    Ich werfe den Revolver weg. Er landet in einem Rosenstrauch. Die Stelle,
wo mein junges Ich stand, ist leer. »Dreckskerl«, rufe ich. »Du hast gewusst,
dass ich es niemals tun würde.«
    »Macht nichts«, sagt eine Stimme. »Ich tue es für dich.«
    Der Gärtner wirft sein Gevulot ab. Er hält den Revolver in der
Hand. Sein Haar ist weiß, seine Züge sind behutsam gealtert, aber etwas an ihm
ist mir erschreckend vertraut. Ich trete einen Schritt vor, aber über seiner
rechten Schulter schwebt ein glattes eiförmiges Ding – eine Zoku-Q-Waffe – und
sieht mich mit einem leuchtenden Quantenauge an.
    »Ich würde mich an deiner Stelle nicht bewegen«, sagt er. »Dieses
Ding macht selbst aus deinem raffinierten Sobornost-Körper Kleinholz.«
    Ich hebe langsam die Hände.
    »Le Roi, nehme ich an?« Er lächelt, das gleiche Lächeln wie bei dem
Kryptarchen im Hotel. »Du bist also der König hier?« Ich versuche abzuschätzen,
wie hoch meine Überlebenschancen wären, wenn ich ihn anspränge: nicht sehr
hoch. Mein Körper steckt immer noch in seinem menschlichen Zustand fest, und
die fünf Meter Abstand sind so viel wie ein Lichtjahr.
    »Ich sehe mich lieber als einfachen Gärtner«, sagt er. »Erinnerst du
dich an das Santé-Gefängnis auf der Erde? Was hast du damals deinem
Zellengenossen erzählt? Du würdest dir am liebsten ein eigenes Königreich
stehlen. Aber selbst darüber zu herrschen, wäre zu anstrengend, da setzt man
besser jemand anders an die Spitze, sieht zu, wie das Volk zufrieden und
glücklich ist, und jätet seinen Garten, schenkt jungen Mädchen Blumen und gibt
den Dingen hin und wieder einen kleinen Schubs.« Er beschreibt mit der freien
Hand einen weiten Bogen, der den Garten und die Stadt ringsum mit einschließt.
»Nun, ich lebe diesen Traum.« Er seufzt. »Und wie alle Träume, so ist auch er
dabei, sich selbst ein wenig zu überleben.«
    »So ist es«, bestätige ich. »Die Zaddikkim sind im Begriff, ihn zu
beenden und die Leute aufzuwecken.« Ich runzle die Stirn. »Wir waren
Zellengenossen?«
    Er lacht. »So könnte man sagen. Wenn du willst, kannst du mich le
Roi nennen. Jean le Roi, so nannte man mich hier, obwohl mir der Name
inzwischen nicht mehr so gut gefällt.«
    Ich starre ihn an. Bei offenem Gevulot ist die Ähnlichkeit nicht zu
übersehen.
    »Was ist geschehen?«
    »Wir waren vor dem Großen Zusammenbruch zu nachlässig«, sagt er.
»Warum auch

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