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Quellcode

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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Funktionsknöpfen herum und setzte ihn auf, gespannt darauf, ob irgendein Locative-Art-Künstler in unmittelbarer Umgebung kreativ gewesen war.
    Eine cartoonhaft glatte Freiheitsstatuenhand, die eine gut drei Stockwerke hohe Fackel hielt, türmte sich vor ihr auf und verdeckte den schmerzhaft blendenden Salzmetallhimmel. Das Handgelenk, das aus dem Sand von Malibu herausragte, nahm ungefähr die Fläche eines Basketballfelds ein. Die Hand war viel größer als die reale, es war ein billiger Abklatsch, sie so aus dem Strand ragen zu lassen, und doch wirkte es komischerweise eher deprimierend als lächerlich. Würde alles so sein, in Albertos neuer Welt des Lokativen? Würde es bedeuten, dass die unmarkierte und ungeplante Welt sich nach und nach mit virtuellen Dingen füllen würde, so schön oder hässlich oder banal wie all das, was man schon jetzt im Web finden konnte? Gab es einen Grund zu erwarten, dass es irgendwie besser als dies hier werden würde oder schlechter? Die Freiheitsstatuenhand und ihre Fackel sahen aus, als wären sie aus demselben Zeug gegossen, aus dem beige Tupperware gemacht wurde. Sie dachte daran, wie Alberto seine Anstrengungen im Kreieren von Häuten, Texturen beschrieben hatte. Sie dachte an die miniberockten Aztekenprinzessinnen auf seinem VW. Und sie fragte sich, wo der Helm das WLAN für dieses Werk anzapfte.
    Sie nahm ihn ab und legte ihn wieder in den Karton. Auf der Rückfahrt kam nach und nach die Sonne wieder heraus. Hollis entschied sich, Bobbys Loft zu suchen, vielleicht nur, um ihn auf ihrer geistigen Landkarte neu zu verorten. Es sollte nicht so schwierig sein. Ihr Körper, fand sie, erinnerte sich an Los Angeles besser als ihr Verstand.
    So fand sie sich irgendwann auf der Romaine wieder und hielt Ausschau nach der Abzweigung, die Alberto genommen hatte. Nach diesen weißgestrichenen Wänden. Sie fand sie, bog ab und sah etwas Großes, Helles, noch Weißeres, das gerade wegfuhr. Sie bremste ab und hielt am Straßenrand. Sah dem langen weißen Truck zu, wie er wendete und dann eine Straßenecke weiter ihrem Blick entschwand. Sie kannte sich mit Trucks nicht aus, aber sie schätzte, dass dieser gerade so lang war, wie Trucks sein konnten, ohne dass das hintere Ende zu einem Anhänger wurde. Groß genug, um den Inhalt einer Dreizimmerwohnung zu transportieren auf jeden Fall. Strahlend weiß, ohne Aufdruck. Und weg.
    »Scheiße«, sagte sie und parkte da, wo Alberto geparkt hatte. Sie konnte die grüngestrichene Metalltür sehen, durch die sie hineingegangen waren. Der Verlauf des Schattens darauf gefiel ihr nicht. Die Sonne stand hoch, und diese schräge Schattenkante verriet, dass die Tür ein ganzes Stück weit offenstand. Zum ersten Mal sah sie die hohen, weißgestrichenen, horizontal gewellten Türen einer Verladerampe. Wenn man dort einen Truck rückwärts heranfuhr, konnte man einladen, was man wollte.
    Hollis öffnete den Kofferraum von innen, stieg mit der PowerBook-Tasche über der Schulter und dem Karton im Arm aus und legte beides in den Kofferraum. Dann holte sie ihre Handtasche aus dem Auto, verschloss es mit der Fernbedienung, straffte die Schultern und ging zu der grünen Tür hinüber. Sie stand tatsächlich ein Stück offen. Als sie über ihre Sonnenbrille hinweg durch den Türspalt lugte, sah sie, dass es dahinter dunkel war.
    Sie wühlte sich durch die kleineren Sachen am Boden ihrer Tasche, bis sie ein flaches kleines LED-Lämpchen fand, an einem Schlüsselring mit den überflüssig gewordenen Schlüsseln für ein Postfach und einen bewachten Parkplatz. Sie drückte es zwischen Daumen und Zeigefinger in der Erwartung, dass die Batterie leer war, aber nein, es ging noch. Da sie sich auf einmal lächerlich vorkam, hämmerte sie so fest gegen die Tür, dass ihre Fingerknöchel schmerzten. »Bobby? Hallo? Hier ist Hollis Henry, Bobby …« Sie legte ihre Linke flach auf die Tür und drückte. Die Tür schwang lautlos, aber sehr langsam auf. Mit der LED in der Rechten, setzte sie mit der anderen Hand die Sonnenbrille ab und ging in das Dunkel hinein.
    Die LED verbesserte die Sicht nicht entscheidend. Sie machte sie aus, stand da und wartete, dass ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Schließlich konnte sie weiter weg Lichtpunkte und kleine feine Lichtstrahlen ausmachen. Schadhafte Stellen im schwarzen Anstrich der Fenster wahrscheinlich. »Bobby? Hier ist Hollis. Wo bist du?«
    Sie machte die LED wieder an und richtete den Strahl auf den Fußboden. Er

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