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Quellcode

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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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beleuchtete eine von Bobbys Gitternetzlinien aus weißem Staub, unterbrochen durch einen Abdruck seiner spitzen Keds-Klone. »Wow«, sagte sie zu sich selbst. »Nancy Drew ermittelt.« Und lauter: »Bobby! Wo bist du?«
    Sie zeichnete mit dem Lichtstrahl einen langsamen Bogen in Hüfthöhe und sah ein Panel mit Lichtschaltern. Sie ging hin und probierte einen davon aus. Hinter ihr gingen an der Decke einige große Halogenleuchten an.
    Sie drehte sich um sich selbst und sah, wie sie erwartet hatte, den spielfeldgroßen Fußboden, leer bis auf Bobbys daraufge-zeichnetes GPS-Netz, das an den Stellen, wo Tische, Stühle und Computer entfernt worden waren, verwischt und teilweise ausgelöscht war. Sie ging weiter, und achtete darauf, nicht auf die weißen Pulverlinien zu treten. Es gab verschiedene Fußabdrücke, ziemlich viele von Bobby oder jemand anderem, der die gleichen lächerlichen Schuhe trug, was unwahrscheinlich war. Daneben dunkelgelbe Zigarettenstummel, bis auf den Filter heruntergeraucht und auf dem Betonboden plattgetreten. Ohne einen aufzuheben, wusste sie, dass sie von Marlboros stammten.
    Sie sah hinauf zu den Leuchten, dann wieder hinunter zu den Abdrücken und Kippen. »Bobby hat die Flatter gemacht«, sagte sie, eine typische Inchmale-Formulierung.
    Jemand hatte den orangefarbenen Klebebandumriss von Archie, dem Kraken, entfernt.
    Hollis ging wieder hinaus und vermied es dabei, die halboffene Tür anzufassen. Sie holte ihr PowerBook aus dem Kofferraum. Während es hochfuhr, nahm sie den Blue-Ant-Helm aus dem Karton. Sie fuhr mit dem rechten Arm durch das Helmskelett, nahm das PowerBook in die Linke und ging wieder ins Gebäude. Dort stellte sie fest, dass das WLAN 72fofH00av, in das sie sich hier schon einmal eingeloggt hatte, mit Bobby verschwunden war. Damit hatte sie gerechnet. Sie klappte das PowerBook wieder zu, klemmte es unter einen Arm, fummelte an den Knöpfen des Helms herum und setzte ihn sich auf.
    Archie war verschwunden.
    Aber der Schiffscontainer war immer noch da, mit etwas Leuchtendem im Innern des Drahtgeflechts.
    Sie ging einen Schritt nach vorn, und er verschwand.
    Sie hörte eine leise Stimme hinter sich, Wortsilben, nicht in Englisch. Sie wollte sich schon umdrehen, nahm aber dann lieber zuerst den Helm ab.
    Ein Paar stand im Eingang, von hinten angestrahlt vom Sonnenlicht. Es waren kleine Menschen. Der Mann hatte einen Besen mit breitem Borstenkopf in der Hand. »Hola«, sagte er.
    »Hallo!« Sie ging auf die beiden zu. »Gut, dass Sie da sind. Ich bin gerade am Gehen. Sehen Sie nur, was die hier für ein Durcheinander veranstaltet haben!« Sie machte eine ausladende Geste mit ihrem Arm, den sie wieder durch den Helm gesteckt hatte.
    Der Mann sagte etwas auf Spanisch, sanft aber fragend, als Hollis an ihnen vorbeiging. Sie antwortete nur »Auf Wiedersehen« und drehte sich nicht mehr um.
    Ein silbergrauer Econoline-Lieferwagen mit zahlreichen Gebrauchsspuren war neben ihrem gemieteten Passat geparkt. Hollis klickte schon im Gehen ihr Auto mit der Fernbedienung auf. Sie öffnete rasch die Tür, setzte sich hinein, Helm auf den Beifahrersitz, PowerBook auf den Boden davor, Schlüssel ins Zündschloss und dann fuhr sie weg, die verbeulten hinteren Türen des Lieferwagens im Rückspiegel. Sobald sie auf der Romaine war, beschleunigte sie.

31. PURO
    Brotherman trug erst die schwarzen Pakete hinunter und lud sie in seinen Lastwagen, dann Stuhl und Bügelbrett, die zu Vianca gefahren werden sollten. Vianca kam mit koreanischem Rindfleischtopf zurück. Die meiste Zeit schweigend aßen die drei, aufgereiht auf Titos schwarz verpackter Matratze, und dann gingen Brotherman und Vianca weg.
    Tito blieb allein zurück mit der Matratze, der Pistole des Bulgaren darunter, seiner Zahnbürste und Zahnpasta, den Kleidern, die er tragen würde, wenn er den alten Mann traf, dem alten eisernen Kleiderständer, auf dem sie hingen, zwei Metallkleiderbügeln, seiner Brieftasche, seinem Handy, den weißen Baumwollhandschuhen, die er noch immer trug, und drei Paar schwarzen Socken, die er in den Bund seiner lockeren schwarzen Jeans stecken wollte.
    Sein Zimmer wirkte jetzt größer, nicht mehr vertraut. Die fossilen Abdrücke auf dem Sperrholz an der hohen Decke waren dagegen tröstlich unverändert. Er putzte seine Zähne am Waschbecken und entschied sich, in seinen Jeans und dem langärmligen T-Shirt zu schlafen. Als er das Licht ausgemacht hatte, war die Dunkelheit vollkommen, überdimensional. Er

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