Quellcode
stand noch einmal auf, machte das Licht an, legte sich wieder auf die Matratze mit dem raschelnden Plastik und legte ein Paar der neuen schwarzen Socken über seine Augen. Sie rochen nach frischer Wolle.
Plötzlich klopfte Alejandro nach Protokoll an die Tür, der Rhythmus durch und durch vertraut. Tito nahm die Socken von seinen Augen, rollte sich von der Matratze und klopfte die Antwort, wartete die Gegenantwort ab und öffnete die Tür. Sein Cousin stand im Hausflur, einen Schlüsselbund in der Hand. Er roch nach Alkohol und sah an Tito vorbei ins leere Zimmer. »Sieht wie eine Zelle aus«, sagte er.
»Das hast du schon immer gesagt.«
»Eine leere Zelle«, korrigierte sich Alejandro, trat ein und schloss die Tür hinter sich. »Ich war die Onkel besuchen. Ich soll dir Informationen für morgen geben, aber ich möchte dir mehr erzählen, als ich eigentlich sollte.« Er grinste, und Tito fragte sich, wie betrunken er war. »Du hast also keine andere Wahl, als auf mich zu hören.«
»Ich höre immer zu.«
»Ja, aber auf jemanden hören ist etwas anderes. Gib mir die Socken!« Tito gab ihm das Paar ungetragener Socken und Alejandro streifte sich eine über jede Hand. »Ich werde dir etwas zeigen.« Er ergriff die Querstange des Kleiderständers und kippte den Ständer, wobei er ihn unten mit seinem Schuh fixierte. »Schau darunter!«
Tito bückte sich und lugte unter die kunstvoll geschmiedete Unterseite. Etwas kleines Blaues, befestigt mit Klebeband. »Was ist das?«
»Es fängt SMS ab. Nachrichten. Das Volapuk. Wenn du die Nachricht bekommst, den iPod deinem Alten zu übergeben, werden sie es mitbekommen, egal welche Nummer du verwendest.« Alejandro grinste spitzbübisch, ein Relikt aus ihrer gemeinsamen Kindheit.
»Wer? Wer sind sie?«
»Die Feinde des Alten.«
Tito dachte an ihre vorangegangenen Gespräche. »Er ist von der Regierung? Von der CIA?«
»Er war früher Spionageabwehroffizier. Jetzt ist er ein Renegat, ein Abtrünniger, ein Schurkenspieler, sagt Carlito. Verrückt.«
»Verrückt?«
»Es tut nichts zur Sache. Carlito und die anderen haben die Familie zu dieser Operation verpflichtet. Haben dich verpflichtet. Aber das weißt du. Du hast nichts von dieser Wanze gewusst«, er deutete auf den Kleiderständer, »die Onkel aber schon. Die Familie hat beobachtet, wie sie sie angebracht und neulich die Batterie ausgewechselt haben.«
»Aber du weißt, wer sie hier angebracht hat?«
»Das ist kompliziert.« Alejandro ging zum Waschbecken hinüber und lehnte sich daran. »Manchmal wird es umso komplizierter, je näher man einer Wahrheit kommt. Diese Männer in Bars, die dir jedes düstere Geheimnis dieser Welt erklären können, Tito, hast du bemerkt, dass sie nie mehr als drei Drinks brauchen, um ein Geheimnis zu erklären? Wer hat die Kennedys getötet? Drei Drinks. Amerikas wahres Motiv im Irak? Drei Drinks. Die Drei-Drink-Antworten können niemals die Wahrheit enthalten. Die Wahrheit ist komplex, Cousin, und entzieht sich und verschwindet in Spalten wie die kleinen Quecksilberkugeln, mit denen wir als Kinder spielten.«
»Sag es mir.«
Alejandro hob die Hände, so dass die schwarzen Socken zu Handpuppen wurden. »Ich bin ein alter Mann, der einst Geheimnisse gehütet hat für die Regierung hier«, ließ er die linke Socke sprechen, »aber ich verabscheue gewisse politische Prak-tiken, gewisse Figuren in der Regierung, die meiner Ansicht nach an Verbrechen schuld sind. Ich bin vielleicht verrückt, besessen, aber schlau. Ich habe Freunde, die ähnlich denken, vielleicht weniger verrückt sind, aber mehr zu verlieren haben. Ich finde Geheimnisse heraus mit ihrer Hilfe und plane …«
»Kann das Ding da uns hören?«
»Nein.«
»Warum bist du dir so sicher?«
»Carlito hat es einen Freund ansehen lassen. Keine normale Wanze. Etwas, was nur die Regierung hat, der Besitz ist nämlich illegal.«
»Sind sie von der Regierung?«
»Auftragnehmer«, sagte die rechte Socke, »wir sind Auftragnehmer. So wird das hier nämlich jetzt gemacht. Wir arbeiten im Auftrag der Regierung, ja. Außer …«, die Socke drehte sich zu Tito und verzog den Mund, »außer, wenn wir es nicht tun.« Alejandro ließ die Socken eine Verbeugung zueinander machen und senkte sie dann. »Sie arbeiten für jemanden von der Regierung, vielleicht, aber nicht in Staatsangelegenheiten. Aber das müssen sie gar nicht unbedingt wissen. Vielleicht wollen sie es auch gar nicht wissen, oder? Manchmal finden es diese Auftragnehmer
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