Quellen Der Lust
nicht mehr empfunden hatte, überlief Genevieve, und diesmal war sie sicher, dass sie sich nicht täuschte. Nur weil sie für einige Zeit nicht im Rennen gewesen war, bedeutete das nicht, dass sie die Spielregeln vergessen hatte.
Mr. Cooper flirtete mit ihr.
Diese Erkenntnis verblüffte sie. Betörte sie. Es war zu lange her, seit ein Mann sich auf diese Weise für sie interessiert hatte. Der letzte Mann war Richard gewesen.
Dann kehrte sie in die Wirklichkeit zurück, und als hätte sie einen Schlag ins Gesicht bekommen, blickte sie hinunter auf ihre Hände. Richard hatte ihre Berührungen nicht mehr gewollt. Sie hatte ihre Lektion gelernt. Gut gelernt. Auf welche Weise Mr. Cooper sich auch zu ihr hingezogen fühlen mochte, das Gefühl würde schnell erlöschen, wenn er sah, welche Unvollkommenheit ihre Handschuhe verbargen.
Genevieve hob den Kopf, sah ihn an und räusperte sich. „Wir waren nicht sehr lange verheiratet, ehe er starb. Und Sie, Mr. Cooper – sind Sie verheiratet?“
„Nein. Durch meine Arbeit für Mr. Jonas-Smythe reise ich viel, daher bleibe ich nie lange genug an einem Ort, um tiefere Beziehungen einzugehen.“ Ein Lächeln, das man nur als übermütig bezeichnen konnte, erschien auf seinem Gesicht. „Bisher wollte noch keine Frau mich haben.“
Kaum gelang es Genevieve, das ungläubiges „Ha!“ zu unterdrücken, das ihr auf der Zunge lag. Sie bezweifelte nicht, dass so viele Frauen, wie er wollte, ihn haben wollten – auf jede Art, die er wollte. Vermutlich ließ er jede Menge gebrochener Herzen zurück, wohin er auch kam. Die unverheirateten Damen von Little Longstone würden Mr. Cooper umschwärmen wie Motten das Licht. Wie viele von ihnen würden ihr Herz an diesen unerträglich gut aussehenden Mann verlieren? Sie wusste es nicht. Aber sie würde keine von ihnen sein.
4. KAPITEL
Genevieve war erleichtert, als Baxter hereinkam. Er brachte ein Tablett mit dem silbernen Teeservice, einem Teller mit Scones, dicker Sahne und ihrer liebsten Himbeerkonfitüre. Mr. Cooper hatte sie in einer Weise aus der Fassung gebracht, die ihr gefiel, sie aber auch verwirrte, und es war ihr angenehm, dass jetzt Baxter anwesend war.
Nachdem er alles vor ihr auf den Tisch gestellt hatte, schenkte Baxter den Tee ein. Seine riesigen Hände gingen mit dem zierlichen Porzellan wesentlich geschickter um, als sie es tun könnte. Sobald er fertig war, richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und ließ die Fingerknöchel knacken.
„Brauchen Sie sonst noch etwas?“, fragte er Genevieve und warf Mr. Cooper einen misstrauischen Blick zu. Mr. Cooper schenkte ihm daraufhin ein Lächeln, was Baxters Miene nur noch mehr verfinsterte.
„Nein danke, Baxter.“
Baxter ging zur Tür, und das Porzellan im Schrank klirrte bei seinen schweren Schritten. „Schreien Sie, wenn Sie mich brauchen. Ich bleibe in der Nähe.“ Damit verließ er den Raum.
„Sollte ich so dumm sein, Ihnen irgendeinen Grund zu geben zu schreien, werde ich meine inneren Organe zweifellos in Baxters großen Händen wieder finden“, sagte Mr. Cooper in ernstem Ton.
„Ihre inneren Organe wären dann äußere“, pflichtete Genevieve ihm bei und bedeutete ihm, sich Milch und Zucker für den Tee zu nehmen.
„Wie Sie sagten, er ist Ihr Beschützer“, sagte Mr. Cooper und wandte den Blick nicht von ihr, als er ein Zuckerstück in seinen dampfenden Tee fallen ließ. „Aber das sollte er auch sein. Er hat einiges zu beschützen.“
Wieder wurde es Genevieve heiß, und diesmal ärgerte es sie. Mit zweiunddreißig war sie weit über das Alter hinaus, sich von den Schmeicheleien eines Mannes den Kopf verdrehen zu lassen. Doch eine innere Stimme flüsterte: Es ist lange her, seit ein Mann dir geschmeichelt hat.
Ja, offenbar bestand darin das Problem. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie – abgesehen von Baxter – mit keinem Mann mehr allein gewesen war, seit Richard sie weggeworfen hatte wie ein Stück Abfall. Und es ließ sich nicht leugnen, dass Mr. Cooper außerordentlich attraktiv war. Kein Wunder, dass ihr so unangenehm warm war. Und dass es ihr ungewöhnlicherweise die Sprache verschlagen hatte.
Sie sah zu, wie er weitere vier Stück Zucker in seine Tasse fallen ließ – so viel, dass die Flüssigkeit darin beinahe über den Rand trat. Um ihre Mundwinkel zuckte es. „Möchten Sie etwas Tee für Ihren Zucker, Mr. Cooper?“, fragte sie und hob die Tasse an die Lippen, um ihr Lächeln zu verbergen.
Er hob ebenfalls seine Tasse
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